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Für die Wissenschaftsfreiheit: Gericht gibt Hirnforscher Recht

Die Versuche am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen sind rechtmäßig und müssen von der zuständigen Gesundheitsbehörde beschieden werden. Das hat das Verwaltungsgericht Bremen am Freitag, 4. Februar 2022, bekanntgegeben.

Professor Andreas Kreiter und sein Team würden alle rechtlichen Vorgaben erfüllen, so die Kammer. Die Versuche hätten von der Behörde schon längst genehmigt werden müssen.

In seiner Entscheidung folgt das Gericht der rechtlichen Argumentation von Professor Andreas Kreiter. Dieser erfülle alle erforderlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung seiner Versuche und habe wissenschaftlich begründet, dass keine wissenschaftlich anerkannten Alternativmethoden für die Versuche zur Verfügung stünden. Die Bremer Gesundheitssenatorin habe „die Entscheidung über den Verlängerungsantrag des Antragstellers bewusst rechtswidrig verzögert“ und nicht detailliert dargelegt, dass das Projekt wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sei, so das Gericht. Sie habe nicht ansatzweise die in den letzten Jahren erzielten Forschungsergebnisse gewürdigt. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf Alternativmethoden verweise, sei dies erstmals im gerichtlichen Verfahren geschehen. Andreas Kreiter habe seinem ursprünglichen Genehmigungsantrag eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung beigefügt. Das Verwaltungsgericht wörtlich: „Die Antragsgegnerin (die Gesundheitssenatorin) hat sich weder mit der früheren Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung auseinandergesetzt, noch hat sie es um eine aktuelle fachkundige Auskunft zu Alternativmethoden gebeten.“ Weshalb die Antragsgegnerin, die das Vorhaben entgegen der ursprünglichen Genehmigung grundsätzlich infrage stelle, von der Möglichkeit abgesehen habe, sich externen Sachverstandes zu bedienen, erschließe sich dem Gericht nicht.

Rektor appelliert an die Politik

„Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die in unserem Grundgesetz verankerte Wissenschaftsfreiheit sichergestellt“, sagt der Rektor der Universität, Professor Bernd Scholz-Reiter. „Ich appelliere an die Bremer Politik, diese zu respektieren und zu wahren. Sie stellt ein hohes Gut für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaft dar.“ Tierversuche in der Wissenschaft seien ein Thema, bei dem es dringend erforderlich sei, alle Fakten und Aspekte sachlich zu prüfen und differenziert zu diskutieren, so der Rektor. „Noch ist biomedizinischer Fortschritt ohne Tierversuche leider nicht möglich. Auch wenn Forschende, wo immer es geht, Alternativmethoden anwenden.“  Dabei hielten sie sich an hohe gesetzliche Auflagen, die an der Universität Bremen erfüllt würden. Dies bestätige das Urteil jetzt erneut. „Politische und öffentliche Debatten dürfen deshalb nicht emotional aufgeladen geführt werden“, warnt Scholz-Reiter.

Rückblick

Forschende müssen bei der Bremischen Behörde alle drei Jahre einen Antrag auf Verlängerung ihrer Versuche stellen. Professor Kreiter hatte ordnungsgemäß im Juli 2021 die Genehmigung der Verlängerung seiner Versuche um ein Jahr bei der Behörde beantragt. Doch hat er innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist keinen Bescheid von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz erhalten – trotz wiederholter Nachfragen.

Die Universität Bremen und Professor Andreas Kreiter hatten – aus Gründen der Rechtssicherheit beide gemeinsam –  deshalb Anfang November 2021 einen Eilantrag auf Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Bremen eingereicht. Hierzu gab es vom Gericht am 24. November 2021 eine Zwischenentscheidung. Diese stellte sicher, dass dem Gericht hinreichend Zeit zur Prüfung des umfangreichen Falles blieb. Gleichzeitig sollte damit gewährleistet werden, dass mit Ende des laufenden Genehmigungszeitraumes (30.11.2021) Professor Kreiter seine Versuche an seinem Institut weiter fortführen darf und damit unnötige Schäden von Tieren, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern abgewendet werden. Bemerkenswert: Die Kammer hatte dabei bereits deutlich zum Verhalten der Behörde Stellung bezogen.

Die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Politik in dieser Sache ist nicht die erste. Im Jahr 2014 hatte das Bundesverwaltungsgericht nach einem jahrelangen Rechtsstreit Professor Kreiter und der Universität Bremen schon mal Recht gegeben, nachdem die damalige Bremer Gesundheitsbehörde den Forschungsantrag des Wissenschaftlers abgelehnt hatte.

Informationen zur Hirnforschung mit Makaken an der Universität Bremen

An der Universität Bremen gibt es Grundlagenforschung mit Makaken im Bereich der Hirnforschung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen dadurch verstehen, wie das Gehirn funktioniert.
Denn bislang kann die Wissenschaft nur sehr unzulänglich erklären, wie im Gehirn Wahrnehmung, Aufmerksamkeit oder Gedächtnis entstehen. Dieses Wissen ist jedoch die Voraussetzung, um die vielfältigen, schweren Hirnerkrankungen, wie zum Beispiel die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Epilepsie, Demenz oder die zahlreichen psychiatrischen Erkrankungen in Zukunft besser behandeln zu können. Das Gehirn ist das komplexeste Organ und seine Funktionsweise bislang wenig verstanden.

Für viele wichtige Fragestellungen, wie zum Beispiel neuronale Mechanismen von Aufmerksamkeit, Verhaltensweisen und Gedächtnis, gibt es bislang keine alternativen Forschungsmethoden zu Tierversuchen. Die Forschenden gehen dabei sehr verantwortungsvoll vor und unterliegen anspruchsvollen gesetzlichen Auflagen, die sie sorgfältig erfüllen.

Regelmäßige Begutachtung

Alle durchgeführten Untersuchungen entsprechen in vollem Umfang den durch die EU Richtlinie 2010/63, dem Deutschen Tierschutzgesetz sowie der Deutschen Tierschutz-Versuchsverordnung spezifizierten Anforderungen. Die Tiere befinden sich in artgerechter Haltung und werden täglich durch fachkundiges Personal bezüglich Gesundheit und Wohlbefinden in Augenschein genommen.

Informationen zu Tierversuchen an der Universität Bremen

In der Öffentlichkeit werden Tierversuche kontrovers diskutiert und es kursieren oft Falschinformationen. Um dem entgegenzuwirken und Transparenz zu schaffen gibt es  eine Website zu Tierversuchen an der Universität Bremen: www.uni-bremen.de/forschung/tierversuche-in-forschung-und-lehre

Universität Bremen ist Mitglied der Initiative „Transparente Tierversuche“ der DFG

Die Ständige Senatskommission für tierexperimentelle Forschung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im Sommer 2021 die Initiative „Transparente Tierversuche“ begründet – gemeinsam mit der Initiative "Tierversuche verstehen" . Ziel ist die Förderung von Transparenz und offener Diskussion zur Forschung mit Tieren. Die Universität Bremen ist mit zahlreichen anderen deutschen Universitäten und nichtuniversitären Forschungseinrichtungen Mitglied dieser Initiative.

 

Weitere Informationen:

 

Fragen beantwortet:

Meike Mossig
Stellv. Leitung Referat Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen
Tel. +49 421 218-60168
E-Mail: mmossigprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

 

Drei Makaken halten sich in einem Innengehege auf. Einer sitzt auf einer kleinen Holzhütter, ein anderer auf einem dicken Ast. Der Dritte befindet sich auf dem Boden, der mit Streu bedeckt ist. Alle Tiere tragen auf dem Kopf eine Halterung aus Metall. Im Gehege hängt ein Autoreifen an einem Seil als Spielgerät.
Das Foto zeigt Makaken in ihrem Gehege am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Forschende, Tierpfleger:innen und Tierärzt:innen achten auf eine artgerechte Haltung der Tiere, die in Gruppen leben. Die Mitarbeitenden sorgen bei den Makaken regelmäßig mit wechselnden Spielgeräten und einer Veränderung der Gehege für Abwechslung. Copyright: Universität Bremen