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„Anschliff“: Uni Bremen baut Forschungsschwerpunkt Verzahnungstechnik in Nordwestdeutschland aus

Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT) und Uni Bremen nehmen einzigartige Verzahnungsschleifmaschine mit integrierter Prozesskraft- und Koordinatenmessung in Betrieb

Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Anwendung umgesetzt

Sollen sich Zahnräder lange, gut und zuverlässig drehen, gelten höchste Anforderungen an das Material und an die Herstellungsverfahren. Auch bei den ganz großen, zentnerschweren Zahnrädern wie sie in den Großgetrieben von Windkraftanlagen arbeiten, geht es zum Beispiel beim Feinschliff um Mikrometer. Diesen abschließenden Produktionsschritt erledigt eine Verzahnungsschleifmaschine. Eine einzigartige Anlage dieser Art nimmt heute die Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT) an der Universität Bremen in Betrieb. Mit dem so genannten „Anschliff“ ist nun der letzte Schritt zum Ausbau des Forschungsschwerpunktes „Verzahnungstechnik" in Nordwestdeutschland vollzogen. Die ersten Ideen dazu entstanden vor zehn Jahren.

„Aufgrund der Zahl ihrer Achsen und der entsprechenden Steuerung ist dieses System keinesfalls ‘Just another Machine‘ und nicht mit üblichen Schleifmaschinen zu vergleichen. Sie gilt daher eher als Sondermaschine und in Art und Ausstattung als einzigartig und Maßstäbe setzend“, erklärt Ekkard Brinksmeier, Professor am Uni-Fachbereich Produktionstechnik und Leiter des IWT-Bereiches Fertigungstechnik. Dieses System habe mehrere Alleinstellungsmerkmale: „Es ist die größte Verzahnungsschleifmaschine an einem Forschungsinstitut in Deutschland und die einzige überhaupt mit integrierter Prozesskraft- und auch Koordinatenmessung.“

Die Anlage wurde von dem Werkzeugmaschinenhersteller Kapp (Coburg) nach den Wünschen der Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefertigt und im Rahmen des Sonderforschungsbereiches "Distortion Engineering" (Verzugsbeherrschung in der Fertigung, SFB 570) mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Landes Bremen angeschafft. Mit ihr lassen sich Zahnräder mit einem Durchmessen von bis zu 500 Millimeter schleifen. „KAPP KX-500 FLEX“ heißt sie, misst 4,2 Meter in der Breite, 5,8 Meter in der Tiefe, 3,1 Meter in der Höhe und sie bringt 15 Tonnen auf die Waage.

„Drehen, Fräsen, Härten, Feinschliff, und zwischendurch immer wieder Messen.“ Komprimierter als IWT-Abteilungsleiter Dr.-Ing. Martin Garbrecht es beschreibt, lässt sich die Prozesskette der Zahnradfertigung kaum darstellen. Zuerst wird eine Scheibe gedreht, dann werden die Zähne hinein gefräst, es folgt das Härten des Materials, denn das Zahnrad soll ja möglichst lange halten, und letzter Schritt ist der Feinschliff. Bei allen Schritten ist höchste Präzision erforderlich, so dass das Bauteil immer wieder gemessen werden muss. „Dafür werden einzelne Werkstücke während der Fertigungskette mehrfach in einem aufwändigen Prozess in Koordinatenmessgeräte eingespannt“, sagt Garbrecht.

Ein solches Messgerät ist in die neue Maschine nun integriert. Es misst die Verzahnungen bereits in der Maschine mikrometergenau und kann so gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen einleiten – schon während des Schleifprozesses. Das Entnehmen des Werkstückes aus der Schleifmaschine sowie ein erneutes Einspannen entfallen. Auch beim Einrichten der Maschine leistet das Messgerät wertvolle Dienste. Im Westlichen wegen der Zeitersparnis haben die Forscher es in die Schleifmaschine integrieren lassen.

Auf Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung beruht der zweite Sonderwunsch an den Maschinenhersteller: die Integration einer Prozesskraftmessung. Im SFB 570 werden die Ursachen für den bei der Wärmebehandlung von Stahlbauteilen auftretenden Verzug erforscht. Insbesondere auch den beim Härten von Zahnrädern. „Wir wollen Zahnräder mit möglichst wenig Verzug fertigen und so Kosten sparen“, sagt Garbrecht. Im Fokus ihrer Grundlagenforschungen haben die Wissenschaftler zudem die bei den Produktionsprozessen zwischen Werkstück und Werkzeug auftretenden Kräfte. Sie wirken sich entscheidend auf die Präzision aus. Die neue Maschine kann nun auch diese Kräfte während der Fertigung messen, Unregelmäßigkeiten feststellen und damit deutlich zur Qualitätssicherung beitragen. Es gebe weltweit bislang noch keine Verzahnungsschleifmaschine mit integrierter Prozesskraftmessung, sagt der IWT-Wissenschaftler und prognostiziert: „Das ist Zukunft!“

Forschen, entwickeln und lehren entlang der ganzen Zahnrad-Fertigungskette

„Die neue Anlage ergänzt den IWT-Maschinenpark auf ideale Weise“, sagt Brinksmeier. „Zusammen mit unserer Wälzfräs- und unserer Verzahnungsmessmaschine können wir schon allein im IWT – als einzigem Forschungsinstitut in Norddeutschland – die komplette Kette der Zahnradfertigung abbilden.“ Hinzu kämen weitere Systeme und Einrichtungen am Bremer Uni-Fachbereich Produktionstechnik und seinen Instituten.

So wird am Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) derzeit das „Labor für Großverzahnungsmessungen“ aufgebaut, das erste universitäre Prüflabor seiner Art in Deutschland. Mit ihm lassen sich Zahnräder einem Durchmesser von bis zu 2,50 Meter hochgenau messen. Zudem wurde dort Anfang März eine besondere Fräsmaschine in Betrieb genommen: Das 5-Achs-Bearbeitungszentrum kann unter anderem Kleinserien hochpräziser Zahnräder kostengünstiger und schneller produzieren. „Im Bereich der Verzahnungstechnik können wir hier an der Universität Bremen nun mithilfe leistungsfähigster und teilweise einzigartiger Anlagen prozessübergreifend forschen und lehren“, freut sich Brinksmeier.

Achtung Redaktionen: Auf der IWT-Webseite stehen Ihnen unter der Rubrik „Presse/Aktuelles“ Fotos zum Download bereit (www.iwt-bremen.de/presseaktuelles.html).

 

Wetere Informationen:
Universität Bremen
Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT)
Fachbereich Produktionstechnik
Professor Dr.-Ing. Ekkard Brinksmeier
Tel. 0421 218-23 18
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http://www.iwt-bremen.de