Detailansicht

Das arktische Meereis schmilzt und schmilzt

Bremer Umweltphysiker berichten über minimale Eisausdehnung seit Mai

Das arktisches Meereis könnte dieses Jahr auf ein neues Rekordminimum zurückgehen: Das befürchten Umweltphysiker der Universität Bremen auf Grund aktueller Messungen. Nach dem drastischen Abschmelzen 2007 stünde für dieses Jahr ein neuer Negativrekord bevor. Seit Ende Mai ist die Meereisfläche in diesem Jahr - verglichen mit derjenigen desselben Datums in allen Jahren seit 2003 - noch geringer.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Georg Heygster unter der Leitung von Professor Justus Notholt im Institut für Umweltphysik der Universität Bremen untersucht seit vielen Jahren die Meereisausdehnung mit Hilfe von Satellitenmessungen. Sie erstellt täglich Karten der aktuellen Meereisausdehnung, die jeder unter www.iup.uni-bremen.de/seaice/amsr/ einsehen kann. Zusätzlich stehen seit kurzem Grafiken mit der aktuellen Eisausdehnung und ihrer monatlichen Änderung zur Verfügung. Dort erkennt man zum Beispiel, dass von Mitte Mai an bis Ende Juni die monatliche Abnahme des Meereises in diesem Jahr am stärksten war. „Auch wenn sich“, so Georg Heygster, „die Eisschmelze in Richtung zur zentralen Arktis insgesamt verlangsamen wird, weil sich dort dickes mehrjähriges Eis befindet, stehen wir vor einem kritischen Jahr. Denn die Großwetterlage in der Arktis ähnelt der von 2007.“

Historisches Minimum 2007

Das historische Minimum von 2007 ist sehr gründlich untersucht worden, und es hat sich herausgestellt, dass ungewöhnliche Wetterbedingungen (starke Winde und wenig Wolken) und besondere Eisbedingungen zusammengewirkt haben. Ungewöhnliche Winde haben mehr Eis als sonst in südliche, wärmere Richtung getrieben oder vor den nördlichen Küsten Grönlands und der kanadischen Inseln zusammen geschoben. Bei geringer Bewölkung konnte die Sonnenstrahlung zudem mehr Eis schmelzen als in anderen Jahren. Darüber hinaus war das Meereis durch die wärmeren Jahre zuvor bereits dünner, so dass weniger Wärme im Sommer genügte, große Eisflächen zu schmelzen. Hinzu kommt, dass der Ozean in einmal eisfreien Gebieten viel mehr Sonnenstrahlung aufnimmt als dort, wo er noch vom Eis bedeckt ist.

Allerdings: Die Vorhersage der Meereisausdehnung ist kein einfaches Geschäft, wie die Ergebnisse der Sea Ice Outlook Initiative (http://www.arcus.org/search/seaiceoutlook) für 2008 und 2009 zeigen. Die Initiative veröffentlicht monatlich Vorhersagen von insgesamt 16 Institutionen. In 2009 lagen die Werte überwiegend zu niedrig, und in 2008 waren die Vorhersagen um bis zu 30 % falsch. Verantwortlich für die hohe Fehlerquote ist die bis heute ungelöste Problematik der langfristigen Wettervorhersage. Während die Wettervorhersage im Bereich von bis zu einer Woche in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich verbessert werden konnte, ist dies für längere Zeiträume nach wie vor sehr schwierig. Alle aktuellen Prognosen bestätigen aber übereinstimmend den Trend, dass sich die langfristige Abnahme des sommerlichen Minimums fortsetzt und es keine Hinweise auf eine Rückkehr zu den viel höheren Werten der 80er und 90er Jahre gibt.

Warum ist das arktische Meereis wichtig?

Das arktische Meereis besitzt einen ausgeprägten Zyklus. Im Winter hat es eine Ausdehnung von etwa 15 Millionen km² und 5 bis 7 Millionen km² im Sommer. Eis, das einen Sommer überstanden hat, besitzt deutlich andere Eigenschaften als erstjähriges Eis. Es ist dicker, enthält weniger Salz und wird von Kleinlebewesen besiedelt, die am Anfang der Nahrungskette stehen. Deshalb hat das mehrjährige Eis eine so große Bedeutung für das globale Klima und Leben im arktischen Ozean.

Die Eiskarten des Institutes für Umweltphysik werden aus Beobachtungen des japanischen passiven Mikrowellensensors AMSR-E an Bord des NASA-Satelliten AQUA berechnet, die das Institut von Servern in USA und Japan erhält. Das Ergebnis sind die Karten mit der höchsten Auflösung, die täglich und global über das Meereis zur Verfügung stehen. Sie werden von einer weltweiten Nutzergemeinschaft abgerufen. Damit sind die Eiskarten ein Paradebeispiel für Anwendung von Forschung im Weltraum, dem Thema der COSPAR (Committee on Space Research)-Tagung, die in diesem Jahr vom 18.-24. Juli in Bremen stattfindet. Zu diesem Großereignis mit über 4000 Beiträgen werden über 2500 Gäste aus aller Welt erwartet.

 

Wetere Informationen:
Universität Bremen
Institut für Umweltphysik
Dr. Georg Heygster

Tel. 0421 218 62180
heygsterprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

http://www.iup.uni-bremen.de/seaice/amsr