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Der menschliche Leib: vergessen, verraten und verkauft

Die Ringvorlesung „Bewegung – Bildung – Gesundheit“ vom Institut für Sportwissenschaften endet am 3. Februar mit einem Vortrag von Käte Meyer-Drawe

Für die Ringvorlesung „Bewegung – Bildung – Gesundheit“ hat das Institut für Sportwissenschaft im laufenden Wintersemester hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der gesamten Republik sowie auch aus Dänemark in die Universität Bremen eingeladen. Zum Abschluss referiert am 3. Februar 2009 Professor Käte Meyer-Drawe aus dem Arbeitsbereich „Allgemeine Pädagogik“ im Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum über das Thema „Der menschliche Leib: vergessen, verraten und verkauft“. Die öffentliche Veranstaltung findet im SFG, Raum 0150, statt und beginnt um 18 Uhr.

Zum Inhalt des Vortrags: Ein erster flüchtiger Blick in die unterschiedlichen Medien kann den Eindruck erwecken, dass der menschliche Leib ganz und gar nicht vergessen ist. Im Gegenteil: Unentwegt wird über ihn geredet. So sollen sich 2008 in Deutschland mehr als eine Million Deutsche einer Schönheitsoperation unterzogen haben. Auch vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über unsere Gesundheit und ihren Erhalt gesprochen wird. Dennoch wird im Vortrag davon ausgegangen, dass der Leib nicht nur vergessen, sondern auch noch verraten und verkauft ist. Mit dem Stichwort „vergessen“ wird dabei an die westliche Tradition erinnert, in der Vernunft sowie Verstand über unsere Sinnlichkeit triumphiert haben. „Verraten“ meint insbesondere die politische Instrumentalisierung des Leibes etwa zum Zwecke gesellschaftlicher Disziplinierung oder im Dienste einer antiintellektualistischen Volkspädagogik. „Verkauft“ wird der Leib dank einer fortschrittlichen Medizin als Biostoff. Er dient als Ersatzteillager. Der Mensch wird am frühesten Anfang seiner Existenz und im Sterbebett immer mehr zu einer medizinischen Ressource. Kommerzielle Gesichtspunkte dominieren nicht selten über humane.

Ein Autor, der gewiss unverdächtig ist, Pädagogik bzw. Sportpädagogik nostalgisch mit Legitimationen zu versorgen, Pierre Bourdieu, formulierte einmal: „Was der Leib gelernt hat, das besitzt man nicht wie ein wieder betrachtbares Wissen, sondern das ist man.“ Wenn diese Annahme zutrifft, und die Erfahrungen sprechen dafür, dann kommt dem Sportunterricht die unersetzbare Aufgabe zu, unsere leiblichen Möglichkeiten gegen ökonomische Reduktionen zu verteidigen und damit unserem konkreten Handeln Gestalt zu verleihen. Leiblichkeit wird in dieser Perspektive zu einer Dimension von Bildung, statt lediglich als ihr Kontrahent oder als unerschöpfliches Reservoir von Motivationen zu gelten, welche in Geistesprodukten keine Spuren hinterlassen.