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Der neue Personalausweis: Schlechte Aussichten für den elektronischen Identitätsnachweis

Vergleichende Studie der Universität Bremen zeigt Probleme des neuen Systems auf

Nr. 313 / 22. Oktober 2010 SC

Am 1. November 2010 löst der neue Personalausweis im Scheckkartenformat seinen Vorgänger ab. Neben besseren Sicherheitsstandards soll das neue Dokument viele Einsatzmöglichkeiten bieten: Ein in den Ausweis integrierter Chip, auf dem die wichtigsten Identitätsdaten gespeichert sind, soll eine sichere Identifizierung im Internet ermöglichen. Doch wo und wie wird diese neue Funktion eingesetzt? Was bringt diese Identifizierungsmöglichkeit wirklich und wie wird sie vom Nutzer angenommen? Können dadurch die bestehenden Bedenken in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz ausgeräumt werden?

Der Informatikprofessor Herbert Kubicek und Torsten Noack vom Institut für Informationsmanagement (ifib) an der Universität Bremen geben in einer rechtzeitig zum Start des Personalausweises vorgelegten Studie Antwort auf diese Fragen. Die Untersuchung basiert auf den Erfahrungen sieben anderer europäischer Länder, bei denen die Einführung eines vergleichbaren elektronischen Identitätsnachweises teilweise schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Der Vergleich der technischen, organisatorischen und rechtlichen Charakteristika der verschiedenen elektronischen Identitätsnachweise zeigt deutliche Unterschiede auf: Keineswegs alle Länder nutzen den Personalausweis als Trägermedium für den elektronischen Identitätsnachweis.

Für die Identifizierung im Internet mit dem neuen deutschen Perso ist ein Kartenleser erforderlich - allerdings konnte die größte Nachfrage und Nutzung einer derartigen Identifizierungsmöglichkeit in den Ländern festgestellt werden, die keine Chipkarte und Kartenleser einsetzen, sondern Software-Zertifikate oder das PIN-TAN-Verfahren. Stärkere technische Datenschutzvorkehrungen wie bei dem neuen deutschen System werden von den Nutzern nicht honoriert. Kubicek und Noack führen diese Tatsache auf die Differenz zwischen der Expertensicht der Entwickler und dem alltäglichen Verhalten der Internetnutzer zurück. „Während sich die Experten an technischen Sicherheitsstandards orientieren, wollen die Nutzer vor allem einfache Lösungen“, sagt Kubicek. Schon ein Kartenleser und zusätzliche Dialogschritte werden als Belastung empfunden. Bequemlichkeit geht vor Sicherheitsbedürfnis. So lange die alten, angeblich weniger sicheren Identifizierungsverfahren noch angeboten werden, besteht kein Druck für diesen Mehraufwand. Und da der alte Personalausweis erst in zehn Jahren seine Gültigkeit verliert, bleiben dem Nutzer die alten Verfahren noch lange erhalten.

Auch ein weiterer Befund der Studie prognostiziert dem neuen Identitätsnachweis eine düstere Zukunft: Am positivsten wurde die elektronische Identifizierungsmöglichkeit laut Studie in Dänemark, Estland, Finnland und Schweden aufgenommen. In diesen Ländern wird der Identitätsnachweis von staatlichen Stellen in Kooperation mit Banken oder sogar von Banken mit staatlicher Lizenz herausgegeben. In Deutschland dagegen zeigen sich die Banken gegenüber der elektronischen Identifizierung abwartend distanziert. Sie führen derzeit als Alternative das mobile TAN-Verfahren im Online-Banking ein, um so die Sicherheit zu erhöhen. „Versuchen Sie die Banken zu überzeugen oder lassen Sie sich von denen überzeugen und übernehmen, wie Finnland, das mobile TAN-Verfahren zur Erhöhung der Transaktionssicherheit im E-Government“, empfiehlt Kubicek dem Innenminister.

Die Bundeszentrale für politische Bildung startet in Kürze ein Online-Forum zu den Befunden und Thesen der Studie. Sie wurde in Kooperation mit nationalen Forschungspartnern in Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Österreich, Schweden und Spanien durchgeführt. Wer mehr über die Studie erfahren möchte: Das Buch zur Untersuchung mit dem Titel „Mehr Sicherheit im Internet durch elektronischen Identitätsnachweis? Der neue Personalausweis im europäischen Vergleich“ erscheint am 25. Oktober.

Florian Puschmann

Hinweis für Redaktionen: Anforderung eines Rezensionsexemplars über http://www.ifib.de

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib)
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Tel.: 0421/218-2830
E-Mail: kubicekprotect me ?!ifibprotect me ?!.de