Detailansicht

„Doping“ für atomar dünne Materialen

Wissenschaftler der Universität Bremen erforschen neuen Mechanismus zur gezielten Veränderung der Leitfähigkeit von Nanomaterialien. Ihre Entdeckung haben sie kürzlich in der international renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Seit einigen Jahren ist es möglich ultradünne Materialien herzustellen, die nur wenige Atome „dick“ sind. Das wohl am besten erforschte dieser zweidimensionalen (2d) Materialien ist Graphen, eine atomare Schicht aus Kohlenstoffatomen. Bahnbrechende Experimente zum Graphen wurden 2010 mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet. Neben Graphen können auch andere atomar dünne Materialien wie die Bohr-Nitrid oder so genannte Übergangsmetalldichalkogenide wie beispielsweise TaS2 hergestellt werden, welches die Physiker in Bremen untersucht haben. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Volumenmaterialen befinden sich praktisch alle Atome dieser 2d-Materialien direkt an der Oberfläche. Wissenschaftler versprechen sich hieraus ganz neue Möglichkeiten zum Maßschneidern von Materialeigenschaften.

Nanomaterial der Zukunft auf der Spur

Einem internationalen Team von Forschenden der Universitäten Bremen, Aarhus und Nijmegen ist auf diesem Gebiet nun ein Durchbruch gelungen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ berichten, hat das Team um Professor Tim Wehling und Dr. Bin Shao vom Institut für Theoretische Physik & Bremen Center for Computational Materials Science der Universität Bremen einen neuen Mechanismus zum Einbringen von Elektronen in ultradünne Materialien entdeckt. Mit diesem Trick könnte es gelingen, neue Nanomaterialien für die Informations- und Energietechnologie zu entwickeln.

Unordnungsproblematik für 2d Materialien wird umgangen

Das Einbringen von beweglichen Ladungsträgern in elektronische Materialien, auch Dotierung (englisch „Doping“) genannt, ist eine wichtige Art der Materialmanipulation. Sie bildet die Grundlage der gesamten heutigen halbleiterbasierten Informationsverarbeitung oder Photovoltaik. In klassischen Halbleitern wie Silizium funktioniert Dotierung durch das Ersetzen einzelner Atome. „Um ultradünne 2d-Materialien für Anwendungen nutzbar machen zu können, ist es wichtig diese auch zu dotieren.“, erklärt Professor Tim Wehling. Aber weil 2d-Materialien so dünn sind, werden die Elektronen durch das Einbringen von Fremdatomen stark gestört. Durch diese so genannten Unordnungseffekte gehen wünschenswerte Eigenschaften wie hohe Leitfähigkeiten oft verloren. „Der nun entdeckte Dotierungsmechanismus vermeidet die Unordnungsproblematik für 2d-Materialien indem er ausnutzt, dass Elektronen quantenmechanisch an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Fremdatome werden hierbei zur Dotierung gar nicht mehr benötigt. Vielmehr tunneln die Elektronen ständig aus der Umgebung in das 2d-Material hinein und auch wieder heraus“, führt Wehling weiter aus.

Neue Methode ermöglicht heiß begehrte Supraleitung

Für heutige Anwendungen in der Halbleitertechnik wird deutlich weniger als ein Elektron pro 1000 Materialatome bewegt. Die neue Methode erlaubt nun mehr als hundertfach stärkere Dotierungen. Das kann dazu führen, dass sich das Verhalten der Elektronen fundamental verändert. Es können Effekte wie Supraleitung, also das Fließen elektrischer Ströme ohne Energieverlust, und sogenannte Ladungsdichtewellen, ein elektronisches Analogon von Wasserwellen, beeinflusst werden.

Basis für breites Anwendungsspektrum

Laut Wehling beschreibt die nun veröffentlichte Arbeit zunächst einmal Grundlagenforschung am Materialsystem von Tantaldisulfid (TaS2) auf einer Goldoberfläche. „Der entdeckte Dotierungsmechanismus sollte aber auch allgemeiner für metallische 2d-Materialien funktionieren und somit langfristig einen breiten technischen Einsatz finden können“, hofft er. Der nächste Schritt sei es nun, zu verstehen wie dieser Effekt ausgenutzt werden kann, um elektronische Eigenschaften von 2d-Materialien insbesondere Supraleitung und Ladungsdichtewellen gezielt zu manipulieren. Letztere stehen vor dem Hintergrund neuartiger Konzepte der Informationsverarbeitung als mögliche Bausteine künstlicher neuronaler Netze im Fokus intensiver Forschungsanstrengungen. Ähnliches gilt für den Bereich der Supraleitung, wo neue Materialien Anwendungen im Bereich des nahezu verlustfreien Stromtransports oder besonders effizienter Elektromotoren ermöglichen könnten.

Der Artikel „Pseudodoping of a metallic two-dimensional material by the supporting substrate“ ist nachzulesen unter: www.nature.com/articles/s41467-018-08088-8 (DOI Nummer: doi.org/10.1038/s41467-018-08088-8).

Weitere Informationen:

www.itp.uni-bremen.de/ag-wehling
www.uni-bremen.de

Fragen beantwortet:

Prof. Dr. Tim Wehling
Institut für Theoretische Physik & Bremen Center for Computational Materials Science
Universität Bremen
Tel.: +49 421 218-62039
E-Mail: twehlingprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

Zwei Männer stehen vor einer Tafel und diskutieren.
Dr. Bin Shao (links) und Professor Tim Wehling (rechts) vom Institut für Theoretische Physik & Bremen Center for Computational Materials Science der Universität Bremen.