Detailansicht

„Intellektuelle im Ausnahmezustand?“: Podiumsdiskussion zur Lage in der Türkei

Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Deutsch-türkische Beziehungen im Ausnahmezustand“ am 9. November im EuropaPunkt Bremen

Nr. 298 / 07. November 2016 SC

Mit einer Diskussion über die aktuelle Lage von Intellektuellen in der Türkei startet die Universität Bremen eine Veranstaltungsreihe über „Deutsch-türkische Beziehungen im Ausnahmezustand“. Die öffentliche Podiumsdiskussion „Intellektuelle im Ausnahmezustand? Zur aktuellen Lage von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Journalistinnen und Journalisten, Schriftstellerinnen und Schriftstellern in der Türkei“ findet am 9. November 2016 um 17.30 Uhr im EuropaPunkt Bremen statt.

Auf dem Podium sitzen:
Professorin Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Internationalität und Diversität an der Universität Bremen;
Dr. Cetin Gürer, Politikwissenschaftler und Philipp-Schwarz-Stipendiat, Zentrum für Arbeit und Politik, Universität Bremen;
Dr. Roy Karadag, Geschäftsführer des Instituts für interkulturelle und internationale Studien, Universität Bremen;
Turgay Doğan; in Istanbul lebender deutsch-türkischer Schauspieler, Regisseur und Dramatiker, Gründer und Autor der Istanbuler Theatergruppe „gnlv“ und
Dr. Hilde Stadler, TV-Korrespondentin ARD/ Bayerischer Rundfunk und stellvertretende Landesvorsitzende Bayerischer Journalistenverband.

Moderiert wird die Runde von der WDR-Redakteurin Elmas Topcu. Diese Veranstaltung der Universität Bremen findet statt im Rahmen der globlale° in Kooperation mit EuropaPunkt, dem Deutschen Journalisten-Verband Bremen und dem Festival Literatürk.

Hintergrund

Bereits seit Jahren sind regierungskritische Journalistinnen, Autorren und andere Intellektuelle in der Türkei von strafrechtlicher Verfolgung bedroht, viele von ihnen haben wiederholt für die öffentliche Äußerung ihrer Meinung Gefängnisstrafen verbüßen müssen, u.a. der Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, der 2014 für die Erstaufführung seiner Dokumentation zu den Gezi-Protesten auch Bremen besucht hat. Im Januar 2016 führte der Aufruf von 2000 „Akademikerinnen und Akademiker für den Frieden“, in dem die Regierung aufgefordert wurde, den Krieg in den kurdischen Gebieten des Südostens der Türkei, unter dem insbesondere die Zivilbevölkerung zu leiden hat, zu beenden, zu heftigen Reaktionen von offizieller Regierungsseite. In der Folge wurden zahlreiche unterzeichnende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch ihre Hochschulleitungen mit Sanktionen belegt oder sogar entlassen. Die Kriterien der Auswahl von Betroffenen erscheinen dabei willkürlich.

Nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 wurden mehr als 10.000 Angestellte in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung und insbesondere in den Hochschulen unter dem Verdacht der Kollaboration mit den Putschisten, die die Regierung Erdogan unter den Anhängern der Gülen-Bewegung ausmacht, außer Dienst gesetzt: Ihnen wurde die Ausreise verwehrt, Pässe wurden eingezogen. Die Situation insgesamt ist unüberschaubar und weitere Schritte der Regierung nicht vorhersehbar. Die aktuelle Nachricht über den Umgang mit der Zeitung Cumhuriyet – die Verhaftungen ihres neuen Chefredakteur und weiterer Redaktionsmitgliedern – verdeutlicht dies erneut. Große Verunsicherung bestimmt gegenwärtig die deutsch-türkischen Beziehungen. Was all das für die Zusammenarbeit, die Haltung, die Arbeit von Intellektuellen hier in Deutschland und dort in der Türkei bedeutet, darüber diskutieren die Podiumsgäste.

Weitere Veranstaltungen über die deutsch-türkischen Beziehungen folgen

Die Universität Bremen wird sich auch in Zukunft  angesichts der aktuellen Entwicklungen zur Wissenschafts- und Meinungsfreiheit in der Türkei mit der immer drängender werdenden Frage auseinandersetzen, ob und wie bestehende Beziehungen aufrechterhalten und gestaltet werden können. Dabei wird es auch darum gehen, welche Rolle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen und anderer deutscher Hochschulen für die Unterstützung von bedrohten Kolleginnen und Kollegen an Hochschulen in der Türkei spielen können.

Die Veranstaltungsreihe „Deutsch-türkische Beziehungen im Ausnahmezustand“ ist ein Angebot sowohl für Hochschulangehörige als auch für die Bremer Öffentlichkeit. Sie soll als ein Forum dienen, in dem transdisziplinär die aktuellen Entwicklungen in der Türkei beleuchtet und der weitere Umgang mit türkischen Partnern und Partnerinnen in diesem Kontext kritisch diskutiert werden können. Neben der Podiumsdiskussion am 9. November sind bis zum Sommersemester 2017 drei weitere Veranstaltungen zu folgenden Themen vorgesehen:

•    „Politisch-ideologische Einflussnahme auf das türkische Bildungs- und Wissenschaftssystem“ (Januar 2017)

•    „Die Gülen-Bewegung – historische Entwicklungen, Grundüberzeugungen und Ziele im Schnittpunkt von Religion und Politik“ (April 2017)

•    „Stand der deutsch-türkischen (Wissenschafts-)Beziehungen ein Jahr nach dem Putschversuch“ (Juni 2017)

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Konrektorin für Internationalität und Diversität
Prof.Dr. Yasemin Karakaşoğlu
E-Mail: kon3protect me ?!vw.uni-bremenprotect me ?!.de
und
Nurten Kurnaz
Tel.: 0421 218 60 378
E-Mail: nurten.kurnazprotect me ?!vw.uni-bremenprotect me ?!.de