Drei von vier Männern und vier von fünf Frauen werden in ihrem Leben pflegebedürftig. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird dabei noch 30 Jahre lang steigen – um insgesamt rund 60 Prozent auf dann mehr als 7 Millionen Pflegebedürftige. Gleichzeitig wird die Zahl der Pflegekräfte demografisch bedingt sinken. Das zeigt: Die Sicherung der Langzeitpflege ist eines der zentralen Zukunftsthemen.
„Vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und einer sinkenden Zahl von Personen im erwerbsfähigen Alter ist die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Langzeitpflege eine der größten Herausforderung der kommenden Jahre“, sagt Professor Heinz Rothgang von Universität Bremen, der das Kooperationsprojekt T!CALL leitet.
„Um diese Herausforderung bewältigen zu können, ist es zunehmend wichtig, dass Pflegeinrichtungen technologisch und organisatorisch auf dem neusten Stand der wissenschaftlichen Entwicklung sind. Dazu gehört auch die Digitalisierung, deren Stand in Pflegeeinrichtungen derzeit noch unzureichend ist“, betont Professorin Karin Wolf-Ostermann, die die Universität Bremen gemeinsam mit Ingrid Darmann-Finck und Heinz Rothgang in der Steuerungsgruppe des Konsortiums vertritt. Professorin Darmann-Finck ergänzt: „Voraussetzung für die notwendigen Veränderungen ist der flankierende Ausbau von Bildungsmaßnahmen in den Einrichtungen der Langzeitpflege, so dass bei den Beschäftigten die erforderlichen Kompetenzen aufgebaut werden können.“
Fehlende Strukturen zur Implementierung neuester Erkenntnisse in der Langzeitpflege
Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen Innovationen erprobt, evaluiert und bei positiven Ergebnissen in den Alltag implementiert werden. Dazu ist eine enge Verzahnung von Forschung und Lehre mit der Versorgung notwendig. Im Krankenhausbereich erfolgt dies in Universitätskliniken und akademischen Lehrkrankenhäusern. In Pflegeeinrichtungen fehlen derartige Strukturen dagegen bislang. Innovationen schaffen daher nur selten den Sprung in den Versorgungsalltag.
Hier setzt das gemeinsame Projekt T!CALL („Transfercluster Akademischer Lehrpflegeeinrichtungen in der Langzeitpflege“) der Universität Bremen und der HSB an, das sich als eines von 12 Projekten in einem bundesweiten Wettbewerb mit insgesamt 115 Einreichungen durchgesetzt hat. Das auf 9 Jahre angelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 16 Millionen Euro im Rahmen des Programms „T!Raum-TransferRäume für die Zukunft von Regionen“ gefördert.
Technologische und organisatorische Neuerungen werden in akademischen Lehrpflegeeinrichtungen erprobt, evaluiert und dann in den Pflegealltag implementiert. T!CALL trägt so dazu bei, die Lebensqualität von Menschen mit Pflegebedarf sowie ihrer Angehörigen, die Qualität der Pflege und die Qualität der Arbeit der in der Langzeitpflege Tätigen zu verbessern – zunächst in den drei Pflegeeinrichtungen, die zu akademischen Lehrpflegeeinrichtungen weiterentwickelt werden, perspektivisch dann aber auch durch die Leuchtturmfunktion dieser Einrichtungen bundesweit. Hierfür werden innovative Transferstrukturen aufgebaut, wie die Schaffung der Position von Transfer- und Innovationsagent:innen in den drei Pflegeeinrichtungen, die Schaffung einer dezentralen Lerninfrastruktur in den Einrichtungen, das Angebot von Praktika und Hospitationen sowie regelmäßige Disseminationsveranstaltungen und die Entwicklung von Disseminationsmaterialien.
Professor Matthias Zündel von der Hochschule Bremen: „Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit allen Kooperationspartnern einen so wesentlichen Beitrag im Bereich des Transfers und der Transferforschung leisten zu können. Dieses Projekt greift dabei ganz zentrale Elemente der strategischen Ausrichtung der HSB auf.“
Professorin Claudia Stolle der Hochschule Bremen: „Das Projekt ermöglicht uns als HSB an ganz zentralen Elementen wie der Digitalisierung, der Professionalisierung, der Neustrukturierung des Personals und der Qualitätsentwicklung anzusetzen und hier im direkten Austausch mit der Praxis Transfer umzusetzen. Das geht weit über das hinaus, was bislang Reallabore leisten können und bieten für die Weiterentwicklung des Berufsfeldes enormes Potential.“
Sozialsenatorin will Projekt maximalen Spielraum für Innovationen ermöglichen
Anja Stahmann, Bremens Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, ein so wichtiges Projekt nach Bremen zu holen. Ich werde die Öffnungsklausel des Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetzes nutzen, um dem Projekt maximalen Spielraum für Innovationen einzuräumen und so zum Erfolg beizutragen.“
Wissenschaftssenatorin: „Transfergedanke der Hochschulen wird bestmöglich umgesetzt“
„In dem Kooperationsprojekt T!Call werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Ansätze direkt in den Alltag von Pflegeeinrichtungen eingebunden“, ergänzt Bremens Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Dr. Claudia Schilling. „Hierdurch findet ein direkter Austausch zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft statt, von dem alle drei Gruppen profitieren. Der Transfergedanke, als wichtige dritte Säule der Hochschulen, wird hier bestmöglich umgesetzt. Die Universität Bremen und die Hochschule Bremen haben sich daher verdient in diesem stark umkämpften Wettbewerb durchgesetzt."
Das Projekt T!CALL wird in enger Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung und vor allem der Praxis umgesetzt. Beteiligt sind neben der Universität Bremen, der HSB und den Praxispartnern Johanniterhaus Bremen und Caritasverband Bremen initial auch das Bremer Zentrum für Weiterbildung, der Integrierte Gesundheitscampus Bremen, die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., die LandesArbeitsGemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege e.V., die Bremer Heimstiftung und die Gesundheitswirtschaft Nordwest. Eine Integration weiterer Partner im Projektverlauf ist vorgesehen.
Berufsfeld der Altenpflege wird aufgewertet
Um eine verbesserte Versorgung zu gewährleisten, soll mit T!CALL auch das Berufsfeld der Altenpflege aufgewertet werden. Der Innovationsschub in der Langzeitpflege macht die Profession insbesondere für junge Menschen für eine mögliche Berufswahl interessanter und für die bereits Pflegenden wieder attraktiv, so dass der Beruf mit Freude länger ausgeübt werden kann.
Von dem Ausbau der Einrichtungen zu akademischen Lehrpflegeeinrichtungen werden die Bewohner:innen und die Pflegenden in den Pflegeeinrichtungen stark profitieren. Auszubildende und Pflegestudierende erleben hier einen zukunftsweisenden Ausbildungsort, der ihren künftigen Berufsweg prägen wird. Vertreterinnen und Vertreter der Pflegeeinrichtungen in Bremen können sich die Innovationen der beiden akademischen Langzeitpflegeeinrichtungen vor Ort ansehen und bewährte Neuerungen schnell übernehmen. Daher rechnen die Beteiligten mit einem Innovationsschub, der bundesweit Auswirkungen auf die Altenpflege haben kann.
Bremen als innovationsoffene Transferregion
Als Region der kurzen Wege, die bereits jetzt durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Akteur:innen in der Pflege sowie auch der Landesbehörden und der Wissenschaft gekennzeichnet ist, bietet Bremen ideale Voraussetzungen für die Umsetzung dieses Projekts.
Informationen zum BMBF-Förderprogramm „T!Raum“
Das Projekt wird im Rahmen des BMBF-Förderprogramms „T!Raum" – TransferRäume für die Zukunft von Regionen“ gefördert. Das BMBF-Förderprogramm ermöglicht Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Entwicklung neuartiger Transferinstrumente. Dadurch sollen Innovationen schneller in die Region gelangen und ein Strukturwandel dadurch gestärkt werden.
Weitere Informationen:
BMBF-Förderprogramm „T!Raum": https://www.innovation-strukturwandel.de/strukturwandel/de/innovation-strukturwandel/t_raum/t_raum_node.html
Fragen beantworten:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege, Alterssicherung
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Universität Bremen
Telefon: +49 421 218 58557
E-Mail: rothgangprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Prof. Dr. Claudia Stolle-Wahl
Zentrum für Pflegeforschung und Beratung (ZePB)
Hochschule Bremen (HSB)
Telefon: +49 421 5905-2753
E-Mail: Claudia.Stolleprotect me ?!hs-bremenprotect me ?!.de