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Mit Telegram-Messenger ins Berlin der NS-Zeit: Bremer Doktorand für Entwicklung ausgezeichnet

Nr. 004 / 08. Januar 2018 ML


Ein schöner Erfolg für Leonardo de Araújo, Doktorand des Fachbereichs Informatik der Universität Bremen: Das Projekt „Marbles of Remembrance“ (Murmeln der Erinnerung), das er gemeinsam mit drei weiteren Expertinnen und Experten entwickelte, wurde beim diesjährigen Hackathon „Coding da Vinci“ ausgezeichnet. Der Programmierwettbewerb bringt seit 2014 jährlich Entwicklerinnen und Entwickler mit Kulturinstitutionen zusammen, um gemeinsam aus offen zugänglichen Kulturdaten digitale Anwendungen zu erarbeiten. In diesem Jahr musste die Jury aus 25 Projektideen die besten auswählen. Insgesamt sechs Arbeiten wurden ausgezeichnet, darunter auch die des Bremers. „Ich freue mich sehr, dass wir mit unserem Konzept die Jury überzeugen konnten. Es ist eine tolle Motivation, das Projekt weiter voran zu treiben und bekannter zu machen.“, sagt de Araújo. Er hat den Prototypen der digitalen Plattform „Artfacts“ entwickelt, die es dem Team dank seines visuellen Interfaces ermöglichte, das Marbles-Projekt schnell umzusetzen. Eine Institution habe bereits Interesse bekundet, die jetzige Beta-Version zu einem fertigen Produkt weiterzuentwickeln, so de Araújo.

Via Smartphone mit Zeitzeugen chatten

Für die Handyanwendung „Marbles of Remembrance“ hat das internationale Team basierend auf der von de Araújo entwickelten Software eine interaktive Plattform, einen sogenannten Chatbot, entwickelt, der die Nutzer auf einem interaktiven Weg durch das heutige Berlin führt und dabei Geschichten jüdischer Kinder, die während der NS-Diktatur dort gelebt haben, erfahrbar macht. „Die Hauptfiguren sind wie Murmeln, die über ganz Berlin verteilt sind und entdeckt werden können“, erklärt de Araújo den ungewöhnlichen Namen der App. Der Zugang zur Anwendung ist einfach: Über Telegram befreundet man sich mit dem fiktiven Kontakt „@MarblesBot“. Wenn man seinen Standort angibt, erfährt man, welche jüdischen Kinder in der Nähe gelebt haben. Man kann mit ihnen chatten und sich von ihnen zu Orten führen lassen, die für sie eine besondere Bedeutung hatten. Die Applikation ist außerdem so programmiert, dass sie Fragen zu bestimmten Stichworten beantworten kann.

Geschichte wird lebendig

Das Entwicklerteam hat über 1.200 Daten von Kindern aus dem Datensatz des Internationalen Suchdienstes (IST) und über 6.000 Personen aus dem Datensatz der Stolpersteine Berlin aufbereitet. Daraus sind verschiedene Touren entstanden, denen Nutzerinnen und Nutzer in einem Multimedia-Mix aus Kurznachrichten, Bildern, Audiodateien, Videos oder Links folgen können. Die Entwicklergruppe um Leonardo de Araújo hofft, dass die App so insbesondere der jüngeren Generation, für die Smartphones ständige Begleiter im Alltag sind, einen leichten Zugang zur Geschichte ermöglicht. „Uns war es wichtig, die Vergangenheit vor allem über persönliche Erfahrungen weiterzugeben. An originalen Orten vermitteln sich Ereignisse und Lebensgeschichten eindrücklicher und emotionaler als über Bücher. Die Nutzer können das Wissen auf diese Weise aktiv nutzen und in neue Kontexte tragen.“, ist de Araújo überzeugt. „Außerdem wollten wir eine positive Anwendungsmöglichkeit von Bots zu zeigen, die häufig eher mit negativen Funktionen wie Manipulationen bei Wahlen oder Kaufentscheidungen in Verbindung gebracht werden.“, ergänzt er.

Kulturdaten frei zugänglich machen

Der Programmierwettbewerb „Coding da Vinci“ wurde ins Leben gerufen, um die Kultur- und die Technikwelt miteinander zu vernetzen und digitale Daten von Kultureinrichtungen einem breiten Kreis zugänglich zu machen. Im Gegensatz zu anderen meist kürzeren Hackathons haben die interdisziplinären Entwicklerteams bei „Coding da Vinci“ sechs bis zehn Wochen Zeit für die Umsetzung ihres Projektes. Dies schafft den notwendigen Raum für eine intensive Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren.

Achtung Redaktionen: Fotos des Preisträgers und des Projekts können hier heruntergeladen werden: https://seafile.zfn.uni-bremen.de/f/152651f9a2524e1cab26/

Weitere Informationen zum Projekt: https://hackdash.org/projects/59ecaa6a87d0970a0e0a3cc7

Fragen beantwortet:

Universität Bremen
Fachbereich Informatik
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI)
Leonardo de Araújo
Tel.: 0152 38516977
E-Mail: araujo@informatik.uni-bremen.de

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