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Wenn Treibstoff gefährlich schwappt: Neue Ergebnisse

Kaffee schwappt über den Tassenrand: Ärgerlich, aber zu verschmerzen. Gefährlicher ist schwappender Treibstoff in Raketen oder Tankschiffen. Dr. Kerstin Avila von der Universität Bremen forscht zu diesem Thema und zu Turbulenzen – mit Erfolg, wie zwei herausragende Publikationen jetzt beweisen.

Schwappender Kaffee ist vielen Menschen als nerviges Alltagsproblem bekannt, mit dem man leben kann und muss. Im Ingenieurbereich kann sich eine solche Dynamik jedoch fatal auswirken. „Schwappender Treibstoff gefährdet beispielsweise die Flugstabilität von Raketen. Oder der Transport von Flüssiggas in Tankschiffen wird gefährlich, wenn das Schwappen in Resonanz mit der Schiffsbewegung gerät“, sagt Dr. Kerstin Avila, Verfahrenstechnikerin im Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen und am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien (IWT). Gemeinsam mit weiteren europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat sie ganz neue Forschungsergebnisse vorlegt, die jetzt in den renommierten Fachzeitschriften Nature Communications und Physical Review Letters publiziert wurden.

Resonanzen schwappender Wellenbewegungen verlässlich vorhergesagt

Vorhersagen hinsichtlich der Resonanz von schwappenden Flüssigkeiten mit anderen Bewegungen waren bisher nur eingeschränkt möglich. In Kooperation mit Theoretikern der ETH Zürich ist es Kerstin Avila und ihrem Team in der Experimentellen Strömungsmechanik nun jedoch gelungen, erstmalig Resonanzen schwappender Wellenbewegungen verlässlich vorherzusagen. Dazu wurden durch die Kombination von abstrakten Theorien, maschinellem Lernen und Experimenten ganz neue Wege in der Forschungsarbeit beschritten. „Wir haben gezeigt, dass alle benötigen Informationen für die Vorhersage in nur ganz wenigen Messungen enthalten sind, die unser Team durchgeführt hat“, sagt Kerstin Avila. 

Zusammen mit drei Wissenschaftlern aus Österreich, Polen und Frankreich zeigte Kerstin Avila in einer weiteren Untersuchung, dass sich die Ausbreitung von Turbulenzen sehr einfachen Gesetzmäßigkeiten unterwirft. „Diese Gesetzmäßigkeiten gelten dabei nicht speziell für Fluide, sondern beschreiben in erster Näherung beispielsweise auch die Ausbreitung eines Virus durch die Bevölkerung oder eines Waldbrandes“, bringt Kerstin Avila einen weiteren interessanten Aspekt zur Sprache. „Im Kern steckt hinter dieser Ausbreitungsdynamik die Theorie der ‚direkten Perkolation‘, die in vielen Wissenschaftsgebieten genutzt wird, um Phänomene zu erklären.“ 

Meilenstein: Belastbare Daten statt nur einer Hochrechnung

Bisher wurden die vorhergesagten Zahlen, die bei einer Virusausbreitung beispielsweise letztlich nur auf hochgerechneten Daten basieren, noch nie tatsächlich exakt in der Natur oder einem räumlich ausgedehnten Experiment beobachtet. Genau dies ist dem Team mit der Bremer Verfahrenstechnikerin jetzt aber nach jahrelanger Forschung mit einem Strömungsexperiment gelungen. „Für die Bestätigung der Theorie und für die Beschreibung des Turbulenzübergangs stellt das einen echten Meilenstein dar“, freut sich die Wissenschaftlerin. 

Für ihre Forschung an den hier vorgestellten Projekten wird Kerstin Avila seit zwei Jahren von der Zentralen Forschungsförderung der Universität Bremen unterstützt. Als Postdoktorandin soll sie so die Möglichkeit erhalten, mit einem eigenständigen Projekt ihre Arbeiten in einem hochproduktiven Umfeld zu betreiben, sich international in ihrer jeweiligen Scientific Community zu vernetzen und die Voraussetzungen zur Berufung auf eine Lebenszeitprofessur zu schaffen. Als „Gastgeber“ für diese Forschungen hat sich die Nachwuchswissenschaftlerin die renommierten Verfahrenstechniker Professor Lutz Mädler und Professor Udo Fritsching von der Universität Bremen sowie dem Bremer Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien ausgesucht.

Daneben erforscht Kerstin Avila als Teil der interdisziplinären Forschungsgruppe FOR 2688 (Ingenieurswissenschaft, Physik, Medizin) die Bewegung von Partikeln in Rohrströmungen mit einem pulsierenden Massenstrom. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt hat das Ziel, die strömungsdynamischen Aspekte der Blutströmung besser zu verstehen.


Links zu den Originalpublikationen:

M. Cenedese, J. Axås, B. Bäuerlein, K. Avila K, G. Haller G: Data-driven modeling and prediction of non-linearizable dynamics via spectral submanifolds, Nature Communication, https://www.nature.com/articles/s41467-022-28518-y

L. Klotz, G. Lemoult, K. Avila, and B. Hof: Phase Transition to Turbulence in Spatially Extended Shear flows, Physical Review Letters, 
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.128.014502


Weitere Informationen:

www.uni-bremen.de/mvt/team/dr-rer-nat-kerstin-avila
www.uni-bremen.de


Fragen beantwortet:

Dr. Kerstin Avila
Experimentelle Strömungsmechanik
Fachgebiet Mechanische Verfahrenstechnik
Fachbereich Produktionstechnik
Universität Bremen
Telefon: + 49 (0)421 218 51241
E-Mail: kavilaprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

Forschungsfoto
Mithilfe von vier Hochgeschwindigkeits-Kameras geht Dr. Kerstin Avila der Bewegung von Partikeln in einer Rohrströmung auf den Grund. Foto: Kerstin Avila / Universität Bremen