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Iren Collet: „Suchtprävention ist für alle Beschäftigten da“

„Jeder kann alkohol- oder suchtkrank werden“, sagt Iren Collet, „auch wenn er oder sie keine biologischen Risikofaktoren trägt, keine besondere Schicksalsschläge erleiden musste, intelligent, willensstark und sympathisch ist.“

 Iren Collet ist seit Ende 2014 in der Suchtprävention  der Universität Bremen tätig. Die Steuerung liegt bei einer vom Kanzler geleiteten Arbeitsgruppe mit Personalräten, Frauenbeauftragter, Schwerbehindertenvertrauensperson, der Fachkraft für Suchtprävention, dem Betriebsarzt und  der Personaldezernentin. Ein Gespräch.

Ist Sucht in der Universität Bremen ein Thema?

Sucht passt erst einmal nicht zum Selbstbild einer Universität denn die gesellschaftlichen Vorurteile über Abhängigkeit und Sucht gibt es auch hier. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entstehung von Suchterkrankungen sagen aber: Die Motive für Konsum oder Verhalten sind, den Anforderungen des Alltags besser gerecht zu werden, leichter zu entspannen oder einzuschlafen, um am nächsten Tag wieder fit zu sein. Oder sich für gute Arbeit, für einen Erfolg zu belohnen. Der Zusammenhang von hoher Leistungsbereitschaft und riskantem oder problematischem Konsum oder Verhalten ist gut belegt. Deswegen ist Suchtprävention gerade in Organisationen mit hohen Leistungsansprüchen ein Thema.

Welche Sucht bearbeiten Sie am häufigsten?

Am Arbeitsplatz ist Alkohol das größte Problem weil Alkohol trinken weit verbreitet und auch das Umfeld von den negativen Folgen problematischen Konsums betroffen ist. Diagnosen sind in der betrieblichen Suchtprävention jedoch nicht wichtig. Immer wenn es Probleme gibt, die mit Suchtstoffen zu tun haben könnten oder wo Verhaltensweisen süchtig entgleiten könnten, sollte dies angesprochen werden. Wenn aus vielleicht riskantem Konsum oder Verhalten noch keine Krankheit entstanden ist, umso besser. Dann kann eine sich ankündigende ungünstige Entwicklung gestoppt werden. Man muss ja nicht erst krank werden, um etwas für die Gesundheit zu tun.

Mitte Mai gab es die Aktionswoche Alkohol. Kann man mit öffentlichen Veranstaltungen Betroffene erreichen?

Zeitgemäße betriebliche Suchtprävention richtet sich an alle Beschäftigten, auch an diejenigen, die kein Problem haben. Wer gut informiert ist, kann bewusst eigene Entscheidungen treffen und kann gut auf Probleme im beruflichen oder privaten Umfeld reagieren. In der Aktionswoche haben wir über Alkohol und seine Wirkung informiert. Spielerisch konnten Interessierte Neuigkeiten entdecken. Wer über ein eigenes Problem oder eins aus dem beruflichen oder privaten Umfeld sprechen möchte, nutzt besser ein vertrauliches Gespräch.

Welche Themen gibt es dabei?

Vorgesetzte möchten wahrgenommene Auffälligkeiten bei Mitarbeitenden einschätzen und besprechen wie sie vorgehen könnten. Kolleginnen und Kollegen, manchmal auch Angehörige reden darüber, wie sie sich hilfreich gegenüber nahestehenden Personen mit Problemen verhalten könnten. Mitarbeitende sorgen sich um ihre Gesundheit. Sie merken, es geht ihnen nicht gut und sie möchten überlegen, was sie tun könnten, um ihre Situation zu verbessern. Manche wissen sehr genau, dass sie zu viel Alkohol trinken und möchten ihren Konsum reduzieren. Mitarbeitende, die von ihren Vorgesetzten zu Auffälligkeiten angesprochen worden sind, möchten ihre Situation einschätzen, sich die Dienstvereinbarung und das betriebliche Vorgehen erklären lassen und überlegen, was sie tun könnten. Neben Alkohol sind bisher Probleme mit Arbeiten, Essen, Rauchen, Cannabis, Glücksspiel, Medikamenten, Online Medien-Nutzung, Kaufen und Mischkonsum angesprochen worden. Außerdem geht es öfter um das Suchen und Finden von Ärzten, Therapeutinnen, Behandlungsstellen und Selbsthilfegruppen.

Das klingt ja so, als ob der Umgang mit Suchtkrankheit sich deutlich von anderen Krankheiten unterscheidet?

Ja, Suchtkrankheiten sind ganz besonders heimtückisch. Sie entstehen in einem schleichenden oft Jahre dauernden Prozess. Betroffene nehmen die Veränderung krankheitsbedingt häufig nicht selbst war. Das Umfeld bemerkt die Entwicklung meist früher. Suchtgefährdete brauchen kein Übersehen, kein Bagatellisieren, kein Dramatisieren, keine Bevormundung. Sie brauchen Kontakt, Mitgefühl, konstruktives Feedback, Klarheit und konsequentes betriebliches Handeln. Suchtkrankheiten sind schwere Erkrankungen, die tödlich verlaufen können. Deswegen lieber früher Fachleute hinzuziehen, ruhig auch verschiedene und mehrere. So lange, bis man die Hilfe hat, die man braucht. Egal, ob man selbst betroffen ist oder eine Person im beruflichen oder privaten Umfeld.

Die Fachkraft für Suchtprävention und Suchtberatung Iren Collet ist telefonisch unter 0421 218-60105 erreichbar. E-Mail: colletprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

Mann mit Brille versucht vorwärts zu gehen
Während der Aktionswoche wurde im NW1 ein Rauschbrillenparcours angeboten.