Detailansicht

Simbabwe: Die mutigen Menschen sind die Schriftsteller

Dr. Tendai Mangena ist mit einem Georg Forster Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt Stiftung für zwei Jahre an die Universität Bremen gekommen, um hier ihre postkolonialen Studien fortzuführen. Betreut wird sie von der Bremer Professorin Kerstin Knopf, Hochschullehrerin für Postcolonial…

Die junge Frau aus Simbabwe beschäftigt sich mit kriminalistischen Texten im weitesten Sinne. Sie recherchiert zu staatlicher Kriminalität, Korruption aber auch zu Menschenrechtsverletzungen. In ihrem Forschungsprojekt „Kriminalität als gesellschaftspolitische und antikoloniale Kritik in ausgewählter simbabwischer Fiktion" beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich soziale und rechtliche Normenverletzungen in literarischen Texten widerspiegeln.

Offen traut sich kaum jemand über die stattliche Gewalt und Willkür zu reden

Für Tendai Mangena sind diese Texte die einzige Möglichkeit, sich mit dem Unrechtssystem in Simbabwe auseinanderzusetzen: „Offen traut sich kaum jemand in meiner Heimat über die stattliche Gewalt und Willkür zu reden“, so die Wissenschaftlerin.

Ein Schwerpunkt ihrer Forschung ist das Massaker Gukurahundi im Jahre 1982. Es gilt als das schlimmste Verbrechen in Zimbabwe unter Robert Mugabe (seit 1987 Präsident von Simbabwe), bei dem mindestens 10.000 Menschen getötet wurden.

In der Literatur kann man die stattliche Macht kritisieren

„Viele Schriftsteller verarbeiten ihre Erlebnisse und Schicksale in Romanen, meist kriminalistischen Texten“, so Tendai Mangena. „Der Autor Christopher Mlalazi beispielsweise schreibt über solche Gräueltaten aus der Perspektive der Opfer. In der Literatur kann man die stattliche Macht kritisieren, weil die Regierung davon ausgeht, dass wenig Menschen daran interessiert sind, Romane zu lesen. Bei Filmen ist das anders, da greift sofort die Zensur ein.“

Die Verbrechen wurden juristisch nie aufgearbeitet

Die meisten Maßnahmen der Regierung Mugabes galten wehrlosen Zivilisten. „Es reichte der Verdacht, die Dissidenten zu unterstützen“, erklärt die 38-Jährige. „Die Soldaten durften dann ungestraft morden, Menschen schlagen und wahllos Häuser zerstören. Diese Verbrechen wurden in meiner Heimat juristisch nie aufgearbeitet.“

Die Folgen für die Gemeinden, durch die sie zogen, hinterließen viele Probleme, die bis heute ungelöst sind. Dies betrifft schlechte Gesundheit, Armut, praktische und rechtliche Probleme und ein tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung und ihren Behörden.

Der Forschungsansatz von Tendai Mangena bezieht auch den staatlichen Missbrauch in der heutigen Zeit mit ein. Ein Aspekt ist dabei sexualisierte Gewalt beispielsweise gegen Frauen oder Homosexuelle. Frauen sind vielfach schutzlos männlicher Gewalt ausgesetzt. Andere Aspekte ihrer Arbeit sind die Streitfrage der illegalen Migration, der Konflikt zwischen den globalisierten europäischen Rechtssystemen und indigenen Rechtssystemen sowie Konzepte von Gerechtigkeit, die Positionen von Frauen in der Kriminologie marginalisieren.

Ob sie Angst hat, dass sie sich durch ihre Studien in Gefahr begibt?

„Für mich ist es ein großer Erfolg überhaupt ein Stipendium bekommen zu haben“, so Tendai Mangena. „Die Universität Bremen hat bereits so viele Postkolonialismus-Forschergruppen – ich konnte mit meinen Arbeiten sofort andocken. Ich empfinde die Universität als einen sehr offenen und freundlichen Arbeitsort. In Bremen zu sein, mit Menschen verschiedener Kulturen zu interagieren und an andere Orte zu reisen, hat mir eine neue Perspektive auf das Leben gegeben. Ich schätze an Bremen, dass es ein sicherer Ort ist.“

Ob sie Angst hat, dass sie sich durch ihre Studien in Gefahr begibt? „Es ist so wichtig darüber zu reden, was in unserem Land leider immer noch passiert. Die eigentlich mutigen Menschen sind doch die Schriftsteller. Sie riskieren ihr Leben, wenn sie über die Massaker schreiben“.

Junge Frau leht an einer Wand
Tendai Mangena fühlt sich in Bremen sicher