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Hirnforschung: Vorteile neuer Multielektrodenmatte

Zur Diagnose, Behandlung und Therapie neuropsychiatrischer Erkrankungen sind epidurale Multielektrodenmatten eine wichtige Zukunftstechnik. Forschende der Universität haben so eine Matte entwickelt. Ihre aktuellen Ergebnisse wurden im Nature Journal „Communications Biology“ veröffentlicht.

Multielektrodenmatten (MEAs, aus dem Englischen: Muliteleectrode Arrays) erlauben die Aufnahme von Hirnaktivitäten, ohne dabei in das Nervenzellgewebe einzudringen. Sie werden zum Beispiel in der Epilepsiebehandlung bei Patientinnen und Patienten eingesetzt, bei denen eine medikamentöse Therapie nicht mehr möglich ist. Dort dienen sie der Vorbereitung und Durchführung einer Operation, um das kranke Gewebe gezielt entfernen zu können. „Klinisch zugelassene MEAs besitzen wenige, relativ große und relativ weit voneinander entfernte Elektroden,“ sagt der Leiter der Studie, Dr. Detlef Wegener vom Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. „Sie haben eine sehr viel bessere räumliche Auflösung als EEG-Ableitungen. Aber sie sind bislang nur sehr eingeschränkt für neuere, klinische Einsatzgebiete geeignet.“ Um den Abstand zu den Zellen zu minimieren, werden solche Matten unterhalb der harten Hirnhaut, der sogenannten Dura mater, platziert. „Dies kommt der Signalqualität zu Gute, aber es bedeutet gleichzeitig, dass MEAs nur für sehr kurze Zeiträume eingesetzt werden können. Denn aus der Öffnung der Hirnhaut können klinische Komplikationen resultieren“, so der Wissenschaftler.

Neue Multielektrodenmatten ermöglichen weniger invasives Verfahren

Eine Alternative sehen Wegener und sein Team deshalb in sogenannten epiduralen MEAs . „Das sind Matten, die oberhalb der harten Hirnhaut platziert werden und prinzipiell über unbegrenzt lange Zeiträume verbleiben könnten, weil die Hirnhaut nicht geöffnet zu werden braucht.“ Sie stellen damit ein wesentlich weniger invasives Verfahren dar und wären zum Beispiel auch für vollständig gelähmte Patientinnen und Patienten nutzbar, um die Steuerung einer Prothese mit Hilfe von Kommandos zu ermöglichen, die aus dem Gehirn an einen Computer übertragen werden.

Viele kleine Kontaktpunkte, die eng beieinanderliegen

„Das Problem besteht jedoch darin, dass die Hirnhaut eine Barriere darstellt, die die Signalqualität verschlechtert. Wenn man die Elektroden oberhalb der Hirnhaut platzieren möchte, muss man also Wege finden, mit dieser verminderten Qualität so umzugehen, dass das klinische Ziel dennoch erreicht werden kann.“ In einer neuen Studie, die kürzlich im Nature Journal Communications Biology erschienen ist, zeigen Forschende der Universität Bremen, dass dies mit hoher Qualität möglich ist. Sie nutzen dabei eine Elektrodenmatte, die unter Leitung von Professor Andreas Kreiter und Professor Walter Lang im Rahmen der Creative Unit „I-See“ in Zusammenarbeit des Instituts für Hirnforschung und des Instituts für Mikrosensoren, -aktoren und -systeme (IMSAS) entwickelt wurde. Creative Units sind Forschungsgruppen an der Universität, die im Rahmen der Exzellenzinitiative entstanden sind, um kreative Ideen zu fördern.  „Diese Matte verfügt über sehr viele, kleine Kontaktpunkte, die eng beieinanderliegen. Indem wir die Information von vielen Elektroden kombinieren und sie mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz untersuchen, ist es möglich, eine sehr hohe Genauigkeit bezüglich der zu Grunde liegenden neuronalen Aktivität zu erzielen“, erklärt Wegener.

Bereits in einer im Jahr 2019 veröffentlichten Untersuchung hatten die Forschenden zeigen können, dass diese Verfahren eine sehr hohe Genauigkeit in der Messung und Klassifikation von Hirnaktivitäten erreichen können. In der aktuellen Studie wurde nun untersucht, ob mit Hilfe von epiduralen Signalen auch kleinste Unterschiede zwischen visuellen Reizen, zum Beispiel in der Größe und Form eines Objektes, klassifizierbar sind. Mit den neuen Ergebnissen sei der Weg bereitet, die technische Entwicklung von epiduralen MEAs voranzutreiben, um sie letztlich im klinischen Alltag zu etablieren, so Wegener. Die Studien wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Weitere Informationen:

Link zur Studie in der Fachzeitschrift Communications Biology: https://rdcu.be/cl4g6 (auf Englisch)

 

Fragen beantwortet:

Dr. Detlef Wegener
Institut für Hirnforschung
Universität Bremen
Telefon: +49 421 218 63007
E-Mail: wegenerprotect me ?!brain.uni-bremenprotect me ?!.de 

Blick auf Gebäude mit dem Schriftzug Cognium
Im Cognium der Universität Bremen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit vielen Jahren im Bereich der Hirnforschung.