Detailansicht

Tag des Gedenkens 2017: "Hunger: Propaganda, Leiden und Widerstand"

Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ist seit 1996 ein bundesweiter Gedenktag. Als Jahrestag nimmt er Bezug auf den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. An der Universität Bremen wird der Gedenktag 2017 dieses Mal vom Fachbereich Sozialwissenschaften ausgerichtet und mit drei kurzen Vorträgen gewürdigt. Zum einen beschäftigt sich Dr. Tomasz Łysak in seinem Vortrag „Hunger in the Warsaw Ghetto“ mit dem Überleben im Warschauer Ghetto durch das Einschmuggeln von Lebensmitteln. Eine Nazi-Filmcrew hat sich mit dem Lebensmittelschmuggel beschäftigt und ihn als Beweis für die „jüdische Unmoral“ dargestellt. Tomasz Łysak ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Spezielle und Interkulturelle Kommunikation, Fakultät für Angewandte Linguistik an der Universität Warschau. Der Vortrag beginnt um 16 Uhr im Hörsaalgebäude GW1 (gegenüber Universum). Interessierte sind herzlich eingeladen.

Die Bedeutung der „Hungerpolitik“ im Nationalsozialismus

Im Anschluss findet der Vortrag „Vernichtung durch Hunger: literarische Stimmen“ statt. Der Referent ist Wolfgang Kissel, Professor für Kulturgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas am Institut für Geschichtswissenschaft der Uni Bremen. Der Experte für slavistische Kultur- und Literaturwissenschaft hinterfragt in seinem Vortrag die Bedeutung von „Hunger“ bei der systematischen Entmenschlichung der Juden und anderer Minderheiten durch die Nazis. Denn die Zuteilung oder Verweigerung von Nahrung, die sogenannte Hungerpolitik des NS-Staats, spielte eine Schlüsselrolle, die immer noch unterschätzt wird. Die Tortur durch Hunger und Durst und das Töten durch Verhungern- und Verdursten-Lassen wurden in den Vernichtungslagern gängige Praxis. „Das Lager ist der Hunger. Wir selber sind der Hunger, der lebende Hunger”, schrieb Primo Levi in seinem Erinnerungsband „Ist das ein Mensch?“ Die Stimmen von Levi und anderen Überlebenden werden in dem Vortrag zu Gehör gebracht.

Hunderte von Widerstandsliedern entstanden in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern

Zum Abschluss beschäftigt sich Juliane Brauer nochmals mit dem Thema „Hunger“ allerdings aus musikalischer Sicht in ihrem Beitrag „Choral aus der Tiefe der Hölle“. Sie analysiert Hunger und Widerstand in den Liedern, die in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern entstanden sind. In ihnen beschreiben die Gefangenen ihre Ängste und Verzweiflung, aber auch ihren Mut und ihre Hoffnungen. Juliane Brauer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung im Forschungsbereich „Geschichte der Gefühle“. Eröffnet wird die Gedenkveranstaltung vom Konrektor für Lehre und Studium der Universität Bremen, Professor Thomas Hoffmeister und dem Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften, Professor Bernd Zolitschka.