Selektive Informationsverarbeitung im visuellen System

a) Selektive Aufmerksamkeit und parallele funktionelle Konfiguration von neuronalen Systemen

Selektive Aufmerksamkeit dient dazu, verhaltensrelevante Teile von visuellen Szenen zu verarbeiten, während andere unterdrückt werden. Unser Labor untersucht die selektive Informationsverarbeitung im frühen visuellen System durch die Kombination von numerischer Simulation und mathematischer Analyse.

Insbesondere sind wir daran interessiert zu verstehen, wie Top-down-Prozesse die Verarbeitung in kortikalen Schaltkreisen kontrollieren und konfigurieren. Communication-through-coherence (CTC) ist ein Konzept, das selektive Verarbeitung mit neuronalen Rhythmen im Gamma- und Alpha/Beta-Frequenzbereich verbindet. Hier schlagen wir ein hierarchisches Modell vor, in dem sich Oszillationen durch laterale rekurrente und Feedforward-Interaktionen selbst organisieren und so die visuellen Signale in Abhängigkeit von der aktuellen Verhaltensaufgabe steuern (siehe Abbildung). Seit kurzem untersuchen wir, wie ein verteiltes, hierarchisches System mit verschiedenen kortikalen Arealen, die auf die Verarbeitung unterschiedlicher visueller Merkmale spezialisiert sind, für eine bestimmte Aufgabe optimal konfiguriert ist. Unser Ziel ist es, die wichtigsten physiologischen Erkenntnisse über die Aufmerksamkeitsmodulation im visuellen System und die psychophysischen Beweise für die verteilte funktionelle Konfiguration in einem kohärenten Modell zu erklären.

 

 

Wir untersuchen prototypische konvergierende Netzwerkmotive von Neuronenpopulationen in der visuellen Hierarchie, die vermutlich an vielen visuellen Aufmerksamkeitsaufgaben beteiligt sind. Konkurrierende Reize werden in separaten Populationen in unteren visuellen Arealen, hier V1, verarbeitet, während Informationen in nachgelagerten Arealen, hier V4, integriert werden. Jede Population besteht aus erregenden und hemmenden Neuronen, die aufgrund lokaler Rückkopplung bei externer Stimulation rhythmische Aktivität erzeugen können. Unter minimalen und physiologisch konsistenten Annahmen über die intra- und interareale Konnektivität konnten wir zeigen, dass sich diese Netzwerke selbst in Zustände organisieren, in denen ein aufmerksamer Reiz bevorzugt in nachgelagerten Populationen verarbeitet wird (Abbildung angepasst aus Harnack D., Ernst U.A., Pawelzik K.R. A model for attentional information routing through coherence predicts biased competition and multistable perception. J. Neurophysiol. 114: 1593-1605, 2015).

Converging network-motifs of neuronal populations in the visual hierarchy

b) Kausale Untersuchung von Mechanismen der selektiven Informationsverarbeitung

Empirische Studien haben die selektive Informationsverarbeitung mit verschiedenen physiologischen Signaturen und neuronalen Mechanismen in Verbindung gebracht. Aber welche dieser Mechanismen implementieren wirklich eine visuelle Berechnung, und welche beobachteten Signaturen sind nur Nebenprodukte einer komplexen rekurrenten Dynamik?

Durch die Kombination von Experimenten (Institut für Hirnforschung, Universität Bremen), Mikrosystemtechnik (IMSAS, Universität Bremen) und rechnergestützter Arbeit untersuchen wir, wie das Gehirn selektiv visuelle Informationen verarbeitet. Insbesondere verwenden wir zwei verschiedene Ansätze, um potenzielle Mechanismen kausal zu identifizieren, nämlich a) intrakortikale Mikrostimulation, um die Informationsübertragung in Abhängigkeit vom aktuellen kortikalen Zustand zu untersuchen, und b) die Markierung eines externen Signals mit einer zufälligen Flickermodulation, die es ermöglicht, visuelle Informationen durch die Hierarchie des visuellen Systems zu verfolgen. In diesem von der DFG über das Schwerpunktprogramm SPP 1665 geförderten Projekt führt unsere Gruppe Datenanalysen durch und entwickelt in Zusammenarbeit mit Experimentatoren Methoden zur Online-Signalverfolgung. Darüber hinaus untersuchen wir Paradigmen für die Untersuchung stark rekurrent gekoppelter Netzwerke durch ICMS, wobei wir interne Netzwerkzustände (z.B. bistabile Attraktoren) nutzen, um das System in einen gewünschten Attraktor zu bringen und seine Reaktion mit möglichen Mechanismen der Signalweiterleitung zu verknüpfen.

Sample computational model setup.

Beispiel für den Aufbau des Rechenmodells. Das Modell besteht aus drei verschiedenen neuronalen Modulen: X, Y und Z. Jedes Modul besteht aus exzitatorischen (e) und inhibitorischen (i) Punktneuronen mit inter-arealen Konnektivitätsparametern, die so eingestellt sind, dass eine realistische neuronale Aktivität entsteht, die sowohl 1/f-Rauschen als auch Oszillationsresonanz im gewünschten Frequenzbereich (z. B. Gamma) enthält. X und Y repräsentieren Populationen auf niedrigerer Ebene (z. B. V1) mit Feedforward-Verbindungen zu einer Population auf höherer Ebene (z. B. V4). Die niedrigeren Populationen werden durch Poisson-Antriebe angetrieben, die durch unterschiedliche Flicker-Signale moduliert werden, so dass wir die Weiterleitung der Stimulus-Informationen im gesamten Netzwerk anhand der spektralen Kohärenz verfolgen können. Die sich daraus ergebende Netzwerkaktivität demonstriert multistabile Zustände und selektive Aufmerksamkeit über Routing durch Synchronisation - Z tritt in eine günstige Phasenbeziehung mit entweder X oder Y, wobei seine Aktivität den jeweiligen Reiz widerspiegelt. Des Weiteren simulieren wir die interkortikale Mikrostimulation (ICMS), indem wir einen Stromimpuls in die gewünschte Zielpopulation einbringen. Durch die Abgabe eines zeitlich genau abgestimmten Stromimpulses während eines bestimmten Aktivitätszustands des Netzwerks (z. B. in einer bestimmten Phase der laufenden Oszillation) können wir das Netzwerk zuverlässig dazu zwingen, in einen gewünschten stabilen Zustand zu wechseln oder diesen aufrechtzuerhalten (z. B. Z dazu zwingen, eine günstige Phasenbeziehung zu X aufrechtzuerhalten, indem die Informationen des Reizes X weitergeleitet und der Reiz Y unterdrückt werden).