Detailansicht

Alessio Rovere: "Fossilien können uns viel über das Meer erzählen"

Borghetto Santo Spirito heißt der malerische Ort an der ligurischen Küste, in dem Dr. Alessio Rovere aufgewachsen ist – nur 115 Meter vom Ufer des Mittelmeeres entfernt. Als kleines Kind hat er das Schwimmen unmittelbar nach dem Laufen gelernt, mit 12 das Tauchen, mit 13 das Surfen. Mit 16 wurde er…

Heute leitet der promovierte Meeresforscher im Zentrum für Marine Umweltwissenschaften die Kooperative Nachwuchsgruppe „Sea Level and Coastal Changes“. Sein Büro hat er im Frühjahr im MARUM II bezogen und forscht hier in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT). Dort sitzt auch sein Postdoc Daniel Harris, Meeresforscher aus Sydney. Zur Gruppe gehört noch Thomas Lorscheid. Der Geologe aus Bonn hat sich in seiner Masterarbeit mit der Tektonik der Pyrenäen befasst und freut sich nun aufs Meer.

Vergangenheit erforschen, um Zukunft zu verstehen

„Wir beginnen ein aufregendes Projekt, es gibt derzeit in Europa nichts Vergleichbares“, sagt Rovere. Zwei große Ziele nimmt seine Gruppe ins Visier. Wie veränderte sich der Meeresspiegel in der Vergangenheit und wie geschieht das aktuell? Kann man modellhaft Voraussagen treffen? Wir wissen, dass vor 125.000 Jahren der Meeresspiegel zwischen 5 und 9 Metern höher war. Vor 20.000 Jahren war er aber 120 Meter niedriger als heute“, sagt er. „Was ist in der Zwischenzeit geschehen, was sind die Ursachen für diese Veränderungen?“ Diese Fragen gehören zum ersten Ziel. Das zweite ist die Untersuchung historischer und aktueller Veränderungen an den Küsten. Welche Erosionen rufen Stürme und Wellen hervor? Was können die Sedimente und Fossilien erzählen? Der Meereswissenschaftler bringt es so auf den Punkt: „Wir müssen die Vergangenheit erforschen, um die Zukunft zu verstehen.“ Die Forschung der Kooperativen Nachwuchsgruppe hat eine gesellschaftliche Komponente. Weltweit sind 70 Prozent der Küsten von Erosionen betroffen und im Umkreis von 100 Kilometern Küstennähe leben dreimal so viele Menschen wie im Binnenland.

Exkursionen sind kein Urlaub

Die jungen Wissenschaftler werden nicht nur im Büro an ihren Computern sitzen und Daten auswerten. Sie werden auch an internationalen Projekten teilnehmen. Exkursionen sollen an Strände in Französisch-Polynesien, auf die Bahamas, nach Afrika und schon im kommenden Jahr nach Westaustralien führen. Das klingt vielleicht nach Urlaub, ist aber in Wahrheit ein harter Job. Rovere hat als Forscher im Lamont Doherty Earth Observatory an der Columbia University New York einschlägige Erfahrungen gemacht. „In Südafrika an der Grenze zu Namibia haben wir in bitterer Kälte nachts in Hütten auf dem Boden geschlafen. Vier Stunden Fußmarsch mit schwerem Gepäck sind für einen Exkursionstag normal“, sagt er.

Freundliches Bremen

Der sympathische Italiener ist direkt aus Manhattan nach Bremen gekommen und fühlt sich in seiner neuen Umgebung wohl. An der Universität erlebt er eine für Zusammenarbeit aufgeschlossene Atmosphäre. „Ich mag die Freundlichkeit der Menschen hier“, sagt er, und vergleicht Bremen mit seiner Studienstadt Genua. „Schon nach wenigen Wochen kannte ich in Findorff die Leute aus meiner Nachbarschaft. Wir grüßen uns. Im Café werde ich freundlich angesprochen.“ Das alles sei innerhalb von zwei ganzen Jahren in Manhattan nicht möglich gewesen. Nur einen guten Pizzabäcker hat er in Bremen noch nicht gefunden …

 

Mann im Büro
Der Meeresforscher Dr. Alessio Rovere leitet die Kooperative Nachwuchsgruppe „Sea Level and Coastal Changes“ als Kooperation von MARUM und ZMT.
Mann am Meer
Mann an der Küste mit Messgerät