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Ulf Hashagen: Mathematik im NS-Staat - hinterfragt von einem Mathematiker

Welche Bedeutung hatte die Angewandte Mathematik im NS-Staat? Diese provokante Frage stellt Dr. Ulf Hashagen am 27. Januar 2014 an der Uni Bremen. Hashagen ist Leiter des Forschungsinstituts für Technik- und Wissenschaftsgeschichte am Deutschen Museum. Bei der Gedenkfeier zum Tag des Gedenkens an…

BUS aktuell: Welche besondere Rolle nahm die Mathematik im NS-Staat ein?

Ulf Hashagen:
Die Mathematik zählte zu den Wissenschaften, die sich von einer für den NS-Staat bedeutungslosen Disziplin zu einer immer wichtiger werdenden Wissenschaft entwickelten. Bis 1939 spielte sie keine besonders hervorgehobene Rolle, denn die Mathematik war weder besonders kriegswichtig wie etwa die Luftfahrtforschung, noch zählte sie zu den Wissenschaften, die für die rassistische nationalsozialistische Ideologie von zentraler Bedeutung waren. Dazu zählte eher die Biologie. Nach Beginn des Krieges wurde die angewandte Mathematik immer wichtiger für die Kriegsforschung und hatte schließlich eine zentrale Bedeutung für viele Waffenprojekte wie beispielsweise für das Raketenprojekt in Peenemünde.

Wie war es möglich, dass Mathematiker ausländische Wissenschaftlerkollegen als „Zwangsarbeiter für die mathematische Kriegsforschung“ einsetzten?

Forschungsaufträge in Konzentrationslagern bearbeitet

Als sich die militärische Niederlage in der Endphase des Zweiten Weltkrieges immer deutlicher abzeichnete, wurde Wissenschaft und Technik immer mehr zum rettenden Strohhalm der Nazis. Man denke hier an das Stichwort „Wunderwaffen". Um das Reservoir an Wissenschaftlern für die Kriegsforschung möglichst auszuschöpfen, erhielten sogar in Konzentrationslagern inhaftierte Wissenschaftler Forschungsaufträge. So gründete zum Beispiel Heinrich Himmler 1944 im Konzentrationslager Sachsenhausen ein eigenes „Recheninstitut“.

Sie sprechen auf der Gedenkfeier der Uni an die Opfer des Nationalsozialismus. Ist ein Gedenken heute noch wichtig? Oder ist unsere Gesellschaft schon „müde“ von all den Veranstaltungen?

Ich persönlich halte ein Gedenken in der heutigen Zeit gerade für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für äußerst wichtig. Zum einen empfinde ich es als moralische Verpflichtung, an die Beteiligung von Wissenschaftlern an NS-Verbrechen zu erinnern. Zum anderen darf nicht vergessen werden, wie sich deutsche Wissenschaftler an der materiellen und geistigen Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges beteiligt haben. Sie haben mit ihren Forschungsarbeiten dazu beigetragen, dass die Nationalsozialisten diesen verbrecherischen überhaupt Krieg führen konnten.

Am Montag, den 27. Januar 2014 um 16 Uhr hält Dr. Ulf Hashagen den öffentlichen Vortrag „Die Selbstmobilisierung und Instrumentalisierung der Angewandten Mathematik im NS-Staat“. Veranstaltungsort ist das Hörsaalgebäude GW 1.

Ausführliche Pressemitteilung

Portrait Ulf Hashagen
Dr. Ulf Hashagen vom Deutschen Museum München spricht am 27. Januar 2014 an der Uni zur Rolle der Angewandten Mathematik in der NS-Zeit.