„Unser Ansatz ist es, die Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie und auch die Inklusions-Problematik in ihren historischen, kulturellen und wissenschaftstheoretischen Dimensionen zu behandeln“, sagt der Schweizer Psychologieprofessor und Philosoph. Im Institut für Psychologie und Transfer hat er seit dem Sommersemester 2014 eine Vertretungsprofessur inne. Dr. med. Josef Zwi Guggenheim ist Psychiater und Psychoanalytiker und befasst sich mit theoretischen Fragen zu Psychoanalyse und Psychiatrie. Die Vorlesungen absolvieren sie im Doppelpack. „Wir werfen uns die Bälle zu, helfen uns, wenn wir einen Namen nicht wissen, gegenseitig. Ich bin der Pausenclown“, witzelt Guggenheim.
Forschendes Studieren zum Thema Inklusion
Katharina Georgi ist die dritte Lehrkraft im Bunde. Die Diplompsychologin hat im Rahmen der Arbeitsgruppe ein ForstA-Projekt gestartet. Es geht um Inklusion, genauer um die Frage, was ist Barrierefreiheit? „Wo liegt Barrierefreiheit für psychisch beeinträchtigte Menschen?“, ist eine der konkreten Fragestellungen. 20 Studierende nehmen am Seminar teil. „Wir haben es geöffnet für Betroffene auch aus anderen Studiengängen“, sagt sie „Sie sind Expertinnen und Experten in eigener Sache“. Freilich muss sich niemand outen. „Das wäre dann schon wieder Exklusion.“ Beim forschenden Studieren von Anfang an wollen die Teilnehmer zum Beispiel herausfinden, wie inklusive Lehre an der Uni Bremen funktionieren kann.
Kulturwissenschaftlicher Blick
Was für das Seminar gilt, gilt auch für die Methoden, die Schneider und Guggenheim in ihren Lehrveranstaltungen anwenden. Lehrmeinungen sollen nicht wiedergekäut werden. Die Studierenden sollen vielmehr befähigt werden, kluge Fragen zu stellen und eigene Denkansätze zu finden. Die generelle Kritik des Schweizer Gastes an der Psychologie lautet: „Sie hat ein zu starkes Interesse an klinischen Fragen und damit vorrangig einen naturwissenschaftlichen Ansatz.“ Ihm ginge es aber um den kulturwissenschaftlichen Blick. Schneider und Guggenheim haben als Autoren an dem Buch „ADHS- eine Krankheit wird erwachsen“ als Autoren mitgearbeitet. „Uns interessiert, wie es dazu kommt, dass sich eine Diagnose so etablieren kann, wie das hier der Fall ist. Der Zappelphilipp im Struwwelpeter ist jedenfalls kein ADHS-Fall“, sagt Guggenheim. Schneider ergänzt: „Krankheiten entstehen dadurch, dass sie benannt werden.“ Was lagert sich an gesellschaftlichen Bildern an? Ist ADHS typisch für eine immer zerstreuter werdende Gesellschaft? Ist die digitale Demenz im Entstehen, die digitale Altersverblödung? Genderdebatte, Autismus, Pubertät, Inklusion und Depression sind Themen, die die Arbeitsgruppe anpackt. „Wir vertreten aber nicht die Position, wir wüssten schon alles“, sagt der Professor.
Ankündigung eines Preises
Dass er auf dem richtigen Weg ist, hat nicht zuletzt ein hochwichtiger Brief aus Zürich bestätigt. Die Dr. Margrit Egnér-Stiftung wird Prof. Schneider 2017 einen Preis verleihen. Die Ehrung erhalten Psychologen, „die durch ihr Lebenswerk oder das Verfassen einzelner hervorragender Arbeiten zu einer humaneren Welt beitragen, in der der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit im Mittelpunkt steht.“ So drücken es die Stifter aus. Und Ganzheitlichkeit ist auch ein Ziel, das die Arbeitsgruppe „Entwicklungs- und pädagogische Psychologie“ im Fachbereich 11 an der Uni Bremen umsetzt.