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Paternoster-Sprachkurse für Flüchtlinge: Wie die Uni Bremen Ehrenamtliche unterstützt

Seit immer mehr Geflüchtete auf unbestimmte Zeit in Notunterkünften in Bremen und umzu leben, engagieren sich ehrenamtliche Helfer. Viele von ihnen übernehmen Deutschkurse. Doch wer „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) nicht studiert hat, stößt schnell an seine Grenzen. „Es fehlen dann oft didaktische und methodische Kenntnisse für eine effektive Sprachvermittlung“, sagt Professorin Nicole Marx. Mit Beginn des Wintersemesters bietet sie deshalb ein Blockseminar an, das speziell auf die Bedürfnisse der ehrenamtlichen Helfer zugeschnitten ist.

„Deutsch als Fremdsprache für Geflüchtete“ ist als Praxisseminar im Rahmen von General Studies auf großes Interesse gestoßen. Das Angebot hat sich herumgesprochen. Unter den 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind nicht nur Studierende, sondern auch Berufstätige aus der Umgebung. Im Seminar wird ein „Paternoster-Sprachkurs für den Übergang“ entwickelt. Wie der Name schon sagt, soll Ein- und Ausstieg von Lernenden und Lehrenden wie in einem Fahrstuhl jederzeit möglich sein. „Tatsächlich gibt es ein Kommen und Gehen in den Lerngruppen“, sagt die Sprachlehrforscherin. „Darauf nehmen wir Rücksicht.“ Sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden sind heterogen. Sie haben unterschiedliche Vorkenntnisse in der Sprache oder der Didaktik, die Gruppengröße wechselt stark, die Lernumgebung ist je nach Unterkunft höchst verschieden. Teils ohne Technik oder Stromversorgung, oft ohne Lernmaterialien.

Themen aus der Lebenswelt der Geflüchteten

Der Paternoster-Sprachkurs beschränkt sich auf sechs inhaltliche Themen, die in der Lebenswelt der geflüchteten Menschen von existenzieller Wichtigkeit sind. Erstes Thema ist „Personen, Länder, Sprachen“. Hiermit sollen Lernende sich vorstellen und sich gegenseitig kennen lernen können. Orte und Wege, Einkaufen, Zeit, Wohnen und Leben und Körper sind die anderen fünf Themen. „Das Curriculum ist als Spirale mit jeweils drei Niveaustufen aufgebaut“, sagt die Expertin. Die Themen haben zwar eine feste Reihenfolge, die Lernenden können aber jederzeit einsteigen. Der ganze Kurs bewegt sich im Anfängerbereich, also bis zur Niveaustufe A1. Im Mittelpunkt steht die Wortschatzarbeit. Hier ist die Funktionalität leitend. Besonders so genannte „Chunks“ – Wortgruppen, die man nicht grammatisch analysieren muss – sind für den Anfang wichtig. Dazu gehört die Frage: „Wie geht’s dir?“ oder: „Ich komme aus…“ Nicole Marx: „Die Lernenden müssen auf diesem Niveau nicht den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ kennen, um sprachlich handeln zu können.“ Ähnlich ist es bei der Wortschatzarbeit. „Kopf, Bauch, Arm, Bein, Fuß“, sagt die Sprachlehrforscherin. „Fußgelenk und Augenbraue sind da erstmal unwichtig.“

„Wichtig, dass ein Gespräch entsteht“

Das bestätigt Kathrin Seibert, die während einer Präsentation der Zwischenergebnisse des Blockseminars im GW2 Lehr- und Lernmaterialien für die Themen „Körper und Gesundheit“ zeigt, die sie als geeignet ausgesucht hat. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Public Health und Pflegeforschung unterrichtet seit dem Sommer regelmäßig im Zelt am NW1. Sie lässt die Lernenden in einer ersten Phase Körperteile benennen, kommt dann zu der Aussage: „Mir geht es nicht gut.“ In einer zweiten Einheit werden die Schmerzen dann konkret beschrieben. „Dafür setze ich Pantomime ein und lasse die anderen raten.“ Ziel des Unterrichts ist es, dass die Menschen ihre körperlichen Beschwerden benennen, die Öffnungszeiten eines Arztes lesen können, einen Termin vereinbaren und sogar ein Telefonat mit einer Sprechstundenhilfe führen können. „Für mich ist es immer wichtig, dass ein Gespräch entsteht“, sagt Kathrin Seibert. Sie arbeitet mit Spielen und Bildern, bringt Pflaster und Verbände als Anschauungsmaterial mit in den Unterricht.

Spielerisch Begriffe vermitteln

Galina Gaspert kommt für das Blockseminar extra aus Stuhr. Sie ist als Assistentin der Geschäftsführung bei Aldi vollzeitbeschäftigt. Helfen ist für die in Kasachstan geborene Frau ganz selbstverständlich. Auch ihre Töchter begleiten sie in die Zelte und unterstützen Familien oder machen beim Sprachunterricht mit. „Die Menschen müssen ein Gefühl bekommen, dass sie willkommen sind, sonst entwickeln sich Aggressionen und Depressionen“, sagt sie. Galina Gaspert hat das Thema „Wohnen und Leben“ aufbereitet. Sie will die Begriffe spielerisch, zum Beispiel mit Memory-Karten, vermitteln.

Gäste aus Achim loben Angebot

Insgesamt ist das Angebot des Fachbereichs 10 ein voller Erfolg, weil es auf die tatsächlichen Bedürfnisse der ehrenamtlichen Helfer zugeschnitten ist. „Wir wollen in unserem Willkommenscafé mit Sprachkursen beginnen“, sagt Manuela Wölker, Dozentin für Erwachsenenbildung aus Achim. „Da brauchen wir vorab vernünftige didaktische Informationen. Die bekommen wir hier im Seminar.“



Drei Frauen während einer Präsentation
Während einer Präsentation der Zwischenergebnisse des Blockseminars stellt Kathrin Seibert vom Institut für Public Health und Pflegeforschung ihre Materialien zum Thema „Körper und Gesundheit“ vor.