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Uni-Experiment auf Höhenforschungsrakete

Wie verhält sich Flüssigkeit bei extremen Temperaturen unter Schwerelosigkeit

Nr. 079 / 23. Februar 2012 SC

Am 13. Februar 2012 um 10:30 Uhr MEZ startete die Höhenforschungsrakete Maser-12 vom Esrange Space Center unweit der nordschwedischen Stadt Kiruna – zu einem etwa sechsminütigen Flug im Dienste der Forschung unter Schwerelosigkeit. Mit an Bord befand sich ein Experiment vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Es untersucht, welche Prozesse im Falle der spontanen Erhitzung einer Flüssigkeit auftreten. Die Ergebnisse liefern einen ersten Anhaltspunkt zu der Frage, was im Treibstofftank eines Raumfahrzeugs passiert, wenn dieser einer starken Wärmequelle ausgesetzt wird.

Das Experiment SOURCE 2 (Sounding Rocket Compere Experiment) ist das zweite innerhalb der Versuchsreihe der European Space Agency (ESA), in dem beobachtet wird, wie sich eine Testflüssigkeit in einem Behälter verhält, der extrem unterschiedliche Temperaturzonen hat. In sehr vereinfachter Form sind die auftretenden Phänomene vom Wasserkochen in einem Kochtopf bekannt. An der heißesten Stelle des Kochtopfs beginnt das Wasser zu sieden. Beim Verdampfungsprozess bilden sich Blasen, die als heißer Dampf aus der Flüssigkeit aufsteigen. Ein Teil dieses heißen Dampfes trifft auf den kühleren Deckel des Kochtopfs, an dem er wieder zu Wasser kondensiert.

Verdampfen und Kondensieren unter Schwerelosigkeit

Diese Verdampfungs- und Kondensationseffekte konnten nun unter Schwerelosigkeit beobachtet werden. Dazu wurde ein Glaszylinder am oberen Ende auf ca. 130°C erhitzt und am Boden mit Hilfe einer Kühlplatte auf 35°C gehalten. Nach dem Start der Maser-12-Rakete wurde der Zylinder mit kühler Testflüssigkeit (Hydrofluorether) und 150° C heißem Dampf desselben Stoffs befüllt. Aus dem Videomitschnitt wird sofort deutlich, dass sich dort, wo die Flüssigkeit die heißen Wände der Testzelle berührt, Blasen bilden. Durch die fehlende Gravitation steigen diese Blasen aber nicht auf, sondern werden von der vorherrschenden Strömung mitgenommen.

Von besonderem Interesse ist auch die Auswertung der Druckverhältnisse während des Experiments. Durch die Verdampfung der Flüssigkeit an der heißen Wand steigt der Druck im Innern des geschlossenen Zylinders. Durch die Kondensation des heißen Gases an der kühleren Flüssigkeit hingegen sinkt der Druck. Überraschenderweise konnte das ZARM-Team beobachten, dass der Einfluss der Kondensation stärker war als der Verdampfungseffekt - der Druck also abfiel anstatt zu steigen. Für die Frage, wie ein Treibstofftank im Weltraum auf eine kurzfristige, partielle Überhitzung reagiert und ob - oder auch wie lange - die Wechselwirkung von Verdampfung und Kondensation die Entstehung eines Überdrucks verhindert, ist dieses Ergebnis ein wichtiger Anhaltspunkt. Die Auswertung der gesamten Daten der dreiminütigen Versuchsphase wird voraussichtlich noch Monate dauern. Die ZARM-Wissenschaftler versprechen sich aber weitere wichtige Erkenntnisse für das Tankdesign zukünftiger Raketentriebwerke, die mit Treibstoffen wie flüssigem Wasserstoff oder Sauerstoff betrieben werden.

Bereits im Mai 2008 konnten wertvolle sechs Minuten Experimentdauer unter Schwerelosigkeit auf der MASER-11 für das erste SOURCE-Experiment genutzt werden. Beide Experimente sind eingebunden in das „Microgravity Application Program“ AO-2004-111 (Convective boiling and condensation) der ESA. SOURCE 2 wurde in Zusammenarbeit mit Air Liquide Grenoble, Toulouse IMFT und EADS Astrium Bremen durchgeführt. Die Hardware und der Flug wurden von der European Space Agency (ESA) finanziert, das Wissenschaftlerteam des ZARM vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Ansprechpartner bei inhaltlichen Fragen:

Universität Bremen
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)
Prof.Dr. Michael Dreyer
Leiter Arbeitsgruppe „Fluid Dynamics and Multiphase Flow
Tel. 0421 218 57866
E-Mail: michael.dreyerprotect me ?!zarm.uni-bremenprotect me ?!.de

Ansprechpartnerin für allgemeine Presseanfragen

BirgitKinkeldey
Leiterin Kommunikation
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