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Autorenteam des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen legt aktuellen Arzneimittelreport vor

Im Auftrag der BARMER GEK wurden Daten von 8,6 Millionen Versicherten untersucht

Nr.: 173 / 27. Mai 2014 KG

Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Medikamente auf den Markt, und Patienten und Ärzte setzen viele Hoffnungen in diese Präparate. Doch nicht alle Arzneimittel, die neu sind, sind tatsächlich besser. Bereits zum 14. Mal hat das Autorenteam um Professor Gerd Glaeske und Dr. Christel Schicktanz vom Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen einen Arzneimittelreport erstellt. Dafür werteten die Bremer Forscherinnen und Forscher Arzneimitteldaten von 8,6 Millionen Versicherten aus dem Jahr 2013 aus. Besonderes Augenmerk wurde auf die Bereiche der Versorgung gelegt, in denen es Potenziale zur Verbesserung gibt – Arzneimittel mit unnötigen Risiken, Präparate, die zu häufig oder zu selten verschrieben werden, und Arzneimittel mit unnötigen Kosten. Thematisiert werden neue Blutgerinnungshemmer, sogenannte orale Antikoagulanzien, Protonenpumpenhemmer (PPI) zur Unterdrückung von Magensäure und Arzneimittel zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Die repräsentative Analyse lässt Rückschlüsse auf das Verordnungsgeschehen bei gesetzlich Krankenversicherten in ganz Deutschland zu. Detaillierte Ergebnisse wurden heute auf einer Pressekonferenz der BARMER GEK in Berlin vorgestellt.

Generika und scheinbar innovative Arzneimittel

Nach wie vor stagniert der Anteil der Verordnungen von Generika. Damit werden Arzneimittel bezeichnet, die eine wirkstoffgleiche Kopie eines ehemals patentgeschützten teuren Medikaments sind. Inzwischen sind in der BARMER GEK zwar rund 75 Prozent der verordneten Packungen Generika mit einem Umsatzanteil von 35 Prozent, doch der Anteil könnte höher sein, stellt Professor Glaeske fest. Hingegen hat sich der Ausgaben-Anteil der Scheininnovationen mit einem Rückgang von 12 auf 11 Prozent bei der BARMER GEK nur wenig verringert. Arzneimittelhersteller verwenden den Begriff „Innovation“ nicht nur für Arzneistoffe mit umfassend neuartiger Struktur oder Wirkweise, sondern auch für Präparate mit geringfügigen Änderungen. Es handelt sich dann aber um Scheininnovationen – auch „Me-too-Präparate“ genannt. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) fordert generell den Zusatznutzen von neu zugelassenen Medikamenten – allerdings wird im Bestandsmarkt auf die AMNOG-Prüfung verzichtet. Dazu Professor Glaeske: „Der Verzicht auf diese Prüfung rächt sich. Durch die Ergebnisse wäre ersichtlich gewesen, dass die meisten Me-too-Präparate keinerlei Vorteil in der Patientenversorgung haben. Die entsprechenden Preisverhandlungen könnten so zu einer Entlastung der Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung führen“.

Forderung: Therapeutischen Nutzen prüfen

Ein weiterer Aspekt betrifft die sogenannten Spezialpräparate, darunter vor allem die Biologika. Dies sind gen- oder biotechnisch hergestellte Wirkstoffe, die aus lebenden Zellkulturen gewonnen werden. Die Forscherinnen und Forscher der Uni Bremen stellten fest, dass die Verordnungsmengen und Ausgaben für Biologika langsam aber stetig ansteigen. Für 3,3 Prozent der Verordnungen fallen rund 36 Prozent der Ausgaben an. Glaeske: „Umso wichtiger sind frühzeitige Differenzierungen dieser Mittel danach, ob mit ihnen ein wirklicher therapeutischer Nutzen und Zusatznutzen gegenüber bestehenden Behandlungen verbunden ist“. Ziel des Arzneimittelreports 2014 ist es insgesamt, auf der Basis der ermittelten Daten unabhängige Informationen für Ärztinnen und Ärzte zu erarbeiten, im Sinne einer verbesserten Versorgungsqualität – zum Nutzen und zur Sicherheit – von Patienten und mit Vorrang vor dem Herstellerinteresse.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Zentrum für Sozialpolitik
Dr. Christel Schicktanz,
E-Mail: schicktanzprotect me ?!zes.uni-bremenprotect me ?!.de
Prof. Dr. Gerd Glaeske,
E-Mail: gglaeskeprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Kristin Bothur
Forschungskoordinatorin
Tel.: 0421-218-58503
E-Mail: kbothurprotect me ?!zes.uni-bremenprotect me ?!.de