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Wie unterstützen Freifunker in Bremen Geflüchtete?

Bachelorabsolvent der Universität Bremen erhält Auszeichnung für seine Abschlussarbeit / Interviews mit Freifunkern und Vertretern von Flüchtlingsunterkünften

Nr. 091 / 5. Mai 2017 MM

Ein freies WLAN-Netz in Städten – dafür setzen sich die so genannten Freifunker ein. Manche nennen sie auch „gute Hacker“, da sie in ihrer Freizeit an Computer- und Internetproblemen tüfteln. Wie unterstützt die bremische Szene Geflüchtete? Wie beurteilen Flüchtlingsunterkünfte dieses Engagement und wie klappt die Zusammenarbeit? Der Bachelorabsolvent Tim Schütz der Universität Bremen hat sich in seiner Abschlussarbeit mit diesen Fragen beschäftigt. Vor kurzem erhielt er dafür eine Auszeichnung – den DARIAH-DE DH Award 2017. Damit werden innovative Forschungsbeiträge von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern ausgezeichnet, die mit digitalen Ressourcen beziehungsweise digitalen Methoden arbeiten. Der Preis ist mit 600 Euro dotiert.

Dokumentarfilm in Istanbul gedreht

Seinen ersten Kontakt mit Hackern hatte Tim Schütz während seines Auslandssemesters in Instanbul. „Die Szene interessierte mich, ich dreht mit einer Kommilitonin im Rahmen eines Uni-Projekts einen Dokumentarfilm darüber“, erzählt der 25-Jährige. Zudem begegnete der Student in seinem Alltag in der Türkei immer wieder Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan. Seine Erlebnisse beeindruckten ihn so sehr, dass er sich nach der Rückkehr in seiner Bachelorarbeit damit beschäftigte, wie Freifunker in Bremen, die in Verbindung zu Hackervereinen wie dem Chaos Computer Club stehen, Geflüchtete unterstützen. So ermöglichen sie ihnen zum Beispiel freies WLAN in Flüchtlingsunterkünften. „Für Freifunker ist WLAN ein Grundrecht“, sagt Tim Schütz. „Deshalb verfolgen sie mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit durchaus politische Ziele.“

Interviews mit Freifunkern und Flüchtlingsunterkünften

Tim Schütz führte von April 2015 bis März 2016 nicht nur mit Freifunkern qualitative Interviews. Der Student befragte auch Leitende und Organisatoren von Flüchtlingsunterkünften. Ein Fall ist ihm dabei besonders in Erinnerung: Eine Einrichtung in Vegesack verfügte als umgebautes ehemaliges Krankenhaus über keine digitale Infrastruktur. Das bedeutete keinen Internetzugang für die Geflüchteten. Zufälligerweise wohnte jedoch ein Freifunker nebenan. Dieser überlegte sich eine technische Lösung und ermöglichte dadurch rund 200 Bewohnerinnen und Bewohnern einen Zugang über seine Internetverbindung.

Manche Unterkünfte hatten Bedenken wegen Sicherheit

In anderen Flüchtlingsunterkünften war das Engagement der Freifunker nicht immer unproblematisch, fand der Student in seinen Interviews heraus. „Manche Leitende hatten Sicherheitsbedenken“, so Tim Schütz. „Sie zogen es vor, den Geflüchteten nur einen Internetzugang über fest installierte Computer zu ermöglichen.“ Für die Geflüchteten bedeutete dies weniger Privatsphäre, wenn sie etwa via Skype mit ihrer Heimat sprechen wollten. Zwar hätten die meisten Smartphones mit Prepaidkarten, so Schütz. Sie ausschließlich zu nutzen, sei jedoch ein hoher Kostenfaktor für sie. Manchmal sei es jedoch durch Gespräche zwischen Management und Freifunkern zu einer guten Zusammenarbeit gekommen, so dass die Freifunker in den Unterkünften WLAN installieren durften.

Veröffentlichung der Arbeit geplant

Die Arbeit mit dem Titel „Humanitarian Modulations: Doing ‚Free‘ (Media and Communication) Infrastructures in Times of Forced Migration“ soll bald veröffentlicht werden (Kubitschko, Sebastian / Schütz, Tim: Humanitarian Media Interventions: Infrastructuring in Times of Forced Migration. spheres: journal for digital cultures #3 (open access). „Sie ist ein Beispiel partizipativer, kollaborativer und engagierter Technikforschung und verbindet die Kommunikations- und Medienwissenschaft mit Ansätzen der Ethnologie“, sagt Professorin Michi Knecht. Sie hat die Arbeit mit Dr. Sebastian Kubitschko an der Uni Bremen betreut.

Was ist DARIAH-DE?

DARIAH ist eine Forschungsinitiative unter dem Dach des European Strategy Forum for Research Infrastructures. Sie wird in Deutschland als nationales Teilprojekt „DARIAH-DE“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. DARIAH steht für „Digital Research Infrastructure for the Arts and Humantities“; das DH im DARIAH-DE DH Award für Digital Humanities. Weitere Informationen unter https://de.dariah.eu  .

Link zu Dokumentarfilm

Der Dokumentarfilm über die Hackerszene in Istanbul von Tim Schütz und Konstanze Scheidt (Leuphana Universität Lüneburg) ist unter dem Link www.hackingistanbul.tumblr.com  zu sehen.

Achtung Redaktionen: Unter folgendem Link finden Sie ein Foto von Tim Schütz: https://seafile.zfn.uni-bremen.de/f/baa6b15dea/ .

Weitere Informationen:

Universität Bremen
ifib - Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH
Tim Schütz (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
E-Mail: tschuetzprotect me ?!mailboxprotect me ?!.org
http://timschuetz.eu/ 

Universität Bremen
Professorin Michi Knecht
Fachbereich Kulturwissenschaften
Telefon: 0421 218-67640
E-Mail: knechtprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de 

Portrait Tim Schütz
Tim Schütz