Detailansicht

Gericht hebt Kopftuchverbot auf – Konflikte bleiben

Um den „Konfliktstoff Kopftuch“ drehte sich eine Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Christoph Fantini, die zur Ringvorlesung „Diversity@Uni Bremen“ des Arbeitsbereiches interkulturelle Bildung gehörte. Im März dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht das Kopftuchverbot von 2003 aufgehoben.…

Das Karlsruher Urteil spiegele gesellschaftliche Veränderungen wider, sagte Detlef von Lührte, Abteilungsleiter Bildung, der in Vertretung der Senatorin an der Diskussion teilnahm. Es habe ihm „Gänsehaut im positiven Sinne“ verursacht. Er erinnerte an die Aussage des früheren Bundespräsidenten „der Islam gehört zu Deutschland“ und unterstrich, „das Kopftuch ist ein Alltagsbild“. Professorin Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität und Initiatorin der Veranstaltungsreihe, wies aus wissenschaftlicher Sicht auf die gewachsene gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema hin. Zahlreiche Untersuchungen hätten deutlich gemacht: „Das Kopftuch ist nicht Symbol einer frauenunterdrückenden Ideologie“.

Große Hürde für die Einstellung in den Schuldienst?

„Ich habe trotz des Urteils total viele Fragen im Kopf“, sagte Havva Temirlenk, Referendarin und Mitglied der Arbeitsgruppe „Mit Kopftuch im Lehramt“. Sie hat ihren Master für die Fächer Englisch und Deutsch abgelegt und glaubt, dass Schulleiter kopftuchtragende Lehrerinnen als Risiko für den Schulfrieden sehen. „Das ist eine große Hürde für eine Einstellung.“ Für Schülerinnen und Schüler sei ein Kopftuch Normalität, doch die ältere Generation habe oft Bedenken. So habe ihr im Praktikum ein skeptischer Schulleiter vorgeworfen: „Ihr steht ja dafür, dass Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen“. Marcus Schreyer, Konrektor der Oberschule Koblenzer Straße, entgegnete: „Schulleitungen sollten sich um euch reißen“. Kopftuchtragende Lehrerinnen bereicherten das Schulleben im Sinne von Vielfalt und Toleranz und seien Vorbilder für Schülerinnen und Schüler. Auf Grundsätze des Einstellungsverfahrens in den Bremischen Schuldienst wies Helmut Kehlenbeck, Referent für Interkulturalität bei der Senatorin für Bildung und Wissenschaft, korrigierend hin. „Eine Einstellung richtet sich nach Mangelfächern, Leistung und Examensnote“, sagte er. Außerdem seien Personalrat und Frauenbeauftragte in die Entscheidungen einbezogen.

Stigmatisierungspotenzial bleibt

„Wir werden Konflikte in Schulen bekommen“, sagte Detlef von Lührte ganz offen. „Es wird Auseinandersetzungen und konfessionelle Streitigkeiten geben, das Urteil ändert nichts daran.“ Bremen habe eine besondere Haltung zur Religion. Er wies  auf die Bremer Klausel im Grundgesetz und den nicht-konfessionellen Sachkundeunterricht Religion hin. „Es bleibt dabei, eine schulische Veranstaltung als staatliche Veranstaltung muss neutral sein“, appellierte von Lührte, denn Schülerinnen und Schüler seien dem ausgeliefert, was im Unterricht erzählt werde. Die Runde war sich einig, dass das Kopftuch Stigmatisierungspotenzial behalte. Eine Grundschullehrerin aus dem Publikum plädierte für interkulturelle Beratung in jeder Schule, „so wie es auch Sprachberaterinnen gibt“. Professorin Karakaşoğlu wies darauf hin, dass in der Lehrerausbildung der Universität Bremen Interkulturalität inzwischen ein Pflichtmodul sei.



Voller Saal mit Zuhörern
Die Podiumsdiskussion zum Konfliktstoff Kopftuch im GW2 war gut besucht.
Sieben Personen diskutieren
Auf dem Podium (von links) Detlef von Lührte, Marcus Schreyer, Moderator Christoph Fantini, Konrektorin Yasemin Karakaşoğlu, Havva Temirlenk und Habiba Rode, Arbeitsgruppe "Kopftuch im Lehramt"
Mann am Mikrophon
Helmut Kehlenbeck, Referent für Interkulturalität in der Bildungsbehörde, erläutert das Einstellungsverfahren in den Bremischen Schuldienst.