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Premiere von „Prunk und Pleite“ punktet beim Publikum

Sie haben drei Semester lang in Archiven gefahndet, Quellen transkribiert, Ergebnisse verglichen und diskutiert. Eine Gruppe von 16 Masterstudierenden der Geschichtswissenschaft an der Uni Bremen hat die wirtschaftliche Entwicklung der Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei AG, kurz…

Die Premiere der szenischen Lesung „Prunk und Pleite einer Bremer Unternehmerdynastie“ wurde ein Erfolg. Im Theatersaal am Leibnizplatz waren alle Plätze besetzt, zusätzliche Stühle mussten hineingeschoben werden.2007 hat die Historikerin Eva Schöck-Quinteros vom Institut für Geschichtswissenschaft das Format erfunden. „Ich las im Staatsarchiv den erschütternden Fall einer Ausweisung so genannter lästiger Ausländer“, erinnert sie sich, „da dachte ich, das muss auf die Bühne“. Mit Peter Lüchinger von der „bremer shakespeare company“ habe sie einen „genialen Partner“ gefunden. Studierende leisten die Vorarbeit, Profis setzen die Texte um. „So kann Wissenschaft begeistern.“ Die Sprache der Quellen sollte erhalten bleiben, „schneiden, kürzen und montieren müssen die Schauspieler, das ist ihr Geschäft“, sagt die Projektleiterin. Ein Rezept, das aufgeht, wie sich beim spannenden Wirtschaftskrimi der Brüder Lahusen zeigt, die ihr Unternehmen mit 27 000 Arbeitern in Delmenhorst und Böhmen in eine beispiellose Pleite führen und einen Erdrutsch in der Bankenlandschaft der Weimarer Republik auslösen.

Studierende decken ungeschriebene Geschichte auf

„Wir haben erstmal alles gesammelt“, beschreibt Jannik Sachweh, Masterstudent der Geschichtswissenschaft, die Vorarbeit. Dafür waren die Studierenden im Staatsarchiv Bremen, im Stadtarchiv und im Nordwolle-Museum Delmenhorst, im Niedersächsischen Landesarchiv Oldenburg, im Bundesarchiv und Landesarchiv Berlin detektivisch unterwegs. Für Studentin Lotta Cordes war anhand der Prozessakten besonders interessant, „wie sich in der Zeit zwischen 1931 und 1933 Vertreter des wirtschaftsliberalen Bürgertums ideologisch wandeln“. Bei einem Treffen mit Peter Lüchinger haben sich die Studierenden mit dem Regisseur dann darüber verständigt, worauf die Lesung sich fokussieren sollte. „Was auf die Bühne kommt, kann die Perspektive einer Historikerin nicht erreichen“, schränkt Lotta Cordes ein. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Konkurses stehe bislang aus, bestätigt Jannik Sachweh. Und die Gruppe ist sich einig, dass es ein großartiges Erlebnis ist, nicht geschriebene Geschichte aufzudecken.

Die Quellen sprechen

Unter einem funkelnden Lüster stehen eine weiß gedeckte Tafel mit Silberzeug, nüchterne Bürotische und ein Schreibtisch aus den Gründerjahren. Der Boden ist übersät mit losen Blättern, die Herren tragen feinen Zwirn der Zwanziger Jahre, die szenische Lesung kann beginnen. In mehr als zwei Stunden kommt Erstaunliches ans Licht. 200 Millionen Reichsmark Schulden, die vertuscht, Aktienkapital, das verwirtschaftet wurde, kleine Sparer, die bei den Banken Schlange stehen und um ihr Geld fürchten, fingierte Konten, falsche Buchungen, Ausschüttung von Dividenden aus Scheingewinnen, Outsourcing und das luxuriöse Leben der Wollkönige. Schloss Hohehorst in der Bremer Schweiz zum Beispiel: 107 Zimmer und 12 marmorne Badestuben, erbaut in einer Zeit, als es eigentlich schon bergab ging. Der Reiz der Aufführung besteht in ihrer eigenartigen Schwebe. Es sprechen die Quellen. Die sind manchmal, besonders deutlich bei politisch ausgerichteten Zeitungen, interessengeleitet. Ein eindeutiges moralisches Urteil fällt schwer. Das Publikum bekommt ordentlich Stoff zum Diskutieren.

Publikum diskutiert

Professor Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen, ist beeindruckt von der spannenden Dokumentation. „Ich finde es bemerkenswert, welche Quellen unsere Studierenden ausgegraben haben“, sagt er. Klaus Kählke, Geschichtslehrer am Alten Gymnasium, sagt: „Es ist extrem schockierend, mit welchen ähnlichen Finanzmanipulationen schon damals gearbeitet wurde, um private Gewinne aus Unternehmen herauszuziehen. Und das alles mit der Haltung des Biedermannes. Da sehe ich Parallelen zur heutigen Zeit.“

„Prunk und Pleite einer Unternehmerdynastie – Der Konkurs der Nordwolle und die Bankenkrise 1931“ ist bis zum Sommer noch sechsmal zu sehen.

Bühne mit Schauspielern, Tischen und Kronleuchter
Glanzvolles Bühnenbild für „Prunk und Pleite“ bei der Premiere der bremer shakespeare company im Theater am Leibnizplatz.
Fünf Schauspieler lächeln in Kamera
Die Spieler von links: Erik Roßbander, Peter Lüchinger, Petra-Janina Schultz, Michael Meyer und Markus Seuß.
Gerichtsverhandlung, zwei Männer sprechen miteinander, eine Frau schreibt
Gerichtsverhandlung: Petra Janina Schultz als Richterin, Michael Meyer als G.Carl Lahusen und Markus Seuß als Heinz Lahusen.