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Yad Vashem veröffentlicht Schriftenreihe: Band 1 kommt von der Uni Bremen

Die bedeutende Gedenkstätte Yad Vashem in Israel, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert, ist zugleich Forschungsstelle. Aktuell publiziert sie eine neue Schriftenreihe in hebräischer Sprache. Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchungen ist die jüdische Presse in…

„1933 als Scheideweg? Form und Funktion der deutsch-jüdischen Presse vor und nach der Machtübernahme der Nazis“ ist Titel von Nagels wissenschaftlicher Untersuchung. Vorsichtig blättert der Germanist in seinem Büro in der Staats- und Universitätsbibliothek die erste Nummer auf, und zwar wie in dieser Kultur üblich, von hinten nach vorn. Nagel sind auch die Schriftzeichen nicht fremd. Er hat hebräisch gelernt, zuerst in der jüdischen Gemeinde Bremen, dann im Fremdsprachenzentrum an der Universität. „Wenn ich in Jerusalem bin, spreche ich aber lieber Englisch“, winkt er bescheiden ab. Der Wissenschaftler forscht seit Jahren zur deutsch-jüdischen Literatur, insbesondere Kinderliteratur. Seit 2001 widmet er sich intensiv der deutsch-jüdischen Presse. „Wir haben im Institut einen Bestand von 1200 Titel Forschungsliteratur dazu angelegt, die mittels Datenbank erschlossen werden, und unsere Bibliothek hat viele der Periodika, meist als Mikrofilme, erworben“, sagt er.

Zuwachs jüdischer Presse mit Hitlers Machtübernahme

Ausschlag für die intensiven Beziehungen zu den Wissenschaftlern von Yad Vashem war eine kleine aber feine Konferenz an der Uni Bremen im Jahr 2008 mit 42 hochrangigen Teilnehmern aus elf Ländern. Damals sei der Gedanke aufgekommen, sich die deutsch-jüdische Presse nach 1933 genauer anzusehen, sagt Nagel. Und das hat er getan. Dabei gewann er überraschende Erkenntnisse. „Mit der Machtübergabe an Hitler werden jüdische Periodika nicht sofort abgewürgt, sondern es entstehen im Gegenteil noch neue, so dass es mehr als 200 Titel in Deutschland sind“, sagt er. Zu den Periodika rechnen die Forscher Zeitungen, Journale, Gemeindeblätter und auch Kalender. „Umfang und Qualität auch kleinerer Blätter nehmen zu, weil zahlreiche erstklassige Journalistinnen und Journalisten von ihren Zeitungen entlassen wurden, da sie Juden waren.“ Besonders perfide sei die Zensur gewesen. Die Geheime Staatspolizei habe nachzensiert. „Das heißt, keiner wusste, wie die Gestapo die Texte nach Veröffentlichung einschätzen würde, die Autoren standen immer mit einem Fuß im KZ“, sagt der Forscher. Kritik am Regime sei häufig zwischen den Zeilen versteckt worden.

Zuversicht verbreiten und Trost spenden

Ziel der Publikationen sei es gewesen, Zuversicht zu verbreiten und den Schein von Normalität zu wahren. Die Leserschaft schöpfte daraus Trost. „In ihren Zeitungen wurden sie als Menschen angesprochen, was im öffentlichen Leben nicht mehr so war“, sagt der Germanist. So sei ihnen in den Veröffentlichungen des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, dessen Ortsgruppe in Bremen übrigens der jüdische Kaufhausbesitzer Julius Bamberger leitete, eine Sicherheit vorgegaukelt worden, die am Ende trügerisch war. In zionistisch geprägten Veröffentlichungen sei hingegen das Thema Auswanderung nach Palästina beherrschend gewesen. Das wurde von den Nazis unterstützt.

Das Ende der eingeschränkten Pressefreiheit

Mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938, bei der Geschäfte und Synagogen zerstört und viele Juden in KZs verschleppt wurden, sei dann auch das Ende der deutsch-jüdischen Presse gekommen. Auf Befehl von Goebbels wurden alle Zeitungen geschlossen. Eine einzige zensierte Zeitung wurde neu gegründet, das „Jüdische Nachrichtenblatt“, das es bis 1943 gab. Laut Nagel hatte die Publikation zwei Ziele. Einerseits Stimmung zu machen „verlasst das Land“. Bis Oktober 1941 gab es darin Artikel zu praktischen Fragen der Auswanderung, danach war die Ausreise verboten. Hintergrund: Im Sommer des Jahres hatte die NS-Führung die Ermordung aller im deutschen Machtbereich lebender Juden beschlossen, die schauerliche so genannte „Endlösung der Judenfrage“. Das zweite Ziel des Jüdischen Nachrichtenblattes sei es gewesen, die Flut von Sondergesetzen, -erlassen und -verordnungen gegen Juden zu drucken, die man nicht so massiv in die deutsche und internationale Öffentlichkeit bringen wollte – beispielsweise: Verbot der Nutzung öffentlicher Schwimmbäder, Zwangsabgabe aller Fahrräder, Haustiere und Radios. Michael Nagel: „Die Zeitung hatte im Sommer 1943 noch zwei magere Seiten, erschien unregelmäßig einige Male im Monat, und zum Schluss hatte sie keine Leser mehr.“

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Fachbereich Kulturwissenschaften
Institut Deutsche Presseforschung
Prof. Dr. Michael Nagel
Tel.: 0421 218 67681
E-Mail: nagelprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

 

Mann lächelt in Kamera, im Hintergrund Bücherregal
Professor Michael Nagel vom Institut Deutsche Presseforschung untersuchte die deutsch-jüdische Presse am Scheideweg 1933.
Titelblatt einer wissenschaftlichen Schrift in hebräischer Sprache
Ausschnitt aus dem Titelblatt des ersten Bandes der Schriftenreihe, die die Gedenkstätte Yad Vashem aktuell veröffentlicht.
Titelblatt einer alten, vergilbten Zeitung
Das Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Bremen hat am 20. Juni 1934 auch die Auswanderung zum Thema.